Starkregen, Stürme, Trockenheit – die Auswirkungen des globalen Klimawandels auf unsere Denkmäler sind allgegenwärtig. Das Ausmaß solcher Schadensereignisse manifestierte sich im Rheinland zuletzt in der Flutkatastrophe im Sommer 2021. Forschungseinrichtungen machen sich zusammen mit Denkmalpfleger*innen in Ämtern und Behörden intensiv Gedanken, wie das baukulturelle Erbe vor Naturereignissen geschützt, widerstandsfähig und in eine neue Epoche gerettet werden kann.
Zugleich gilt es, fossile Energieträger einzusparen, Treibhausgase zu minimieren und den Energieaufwand insgesamt zu reduzieren, um die Klimaziele zu erreichen. Baudenkmäler können dazu einen Beitrag leisten, indem sie im Rahmen einer ganzheitlichen Betrachtung des baulichen Gefüges energetisch ertüchtigt oder optimiert werden. Zudem möchten wir in den Denkmalpflegeinstitutionen wie dem LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland (LVR-ADR) den Denkmaleigentümer*innen sowohl bei ihren ideellen Zielen, aber auch hinsichtlich ihrer berechtigten wirtschaftlichen Interessen angesichts der steigenden Energiepreise unterstützen, regenerative Energie auch im Denkmalkontext nutzen zu können.
Mit den folgenden Informationen bieten wir einen Einstieg in das Thema Klimaschutz im Bereich der Denkmalpflege. Wir wollen damit aufzeigen, dass Denkmäler per se einen Beitrag zu Nachhaltigkeit und Klimaschutz leisten, aber auch ihre Potenziale zur energetischen Ertüchtigung in den Blick nehmen.
Die Erhaltung, Weiternutzung und Umnutzung von Denkmälern ist ökologisch und ressourcenschonend und deshalb ein wichtiger Beitrag zur Nachhaltigkeit. Historische Gebäude sind eine kostbare kulturelle, aber auch materielle Ressource. Als solche speichern Denkmäler sog. graue Energie, jene für Bau, Herstellung, Transport und Entsorgung aufgewendete bzw. aufzuwendende Energiemenge, und vermeiden so enorme Mengen an CO2-Emissionen durch ihre Langlebigkeit.
Wie viel Energie wird benötigt, um ein Gebäude zu errichten? Bewertet man den Energiebedarf und die CO2-Emissionen von Gebäuden über ihren gesamten Lebenszyklus, d.h. nicht nur die aktuelle Betriebsenergie, weisen Denkmäler eine hervorragende energetische Gesamtbilanz auf.
"Acht nachhaltige Vorschläge für eine zukunftsorientierte Nutzung des baukulturellen Erbes und seines klimaschützenden Potenzials" finden Sie auch in der Broschüre der Vereinigung der Denkmalfachämter in den Ländern (VDL) "Denkmalschutz ist Klimaschutz".
Das Bauen wird für rund 20 Prozent des jährlichen weltweiten Ressourcenverbrauchs verantwortlich gemacht. So wurden allein 2016 in NRW 113 Mio. Tonnen Baumineralien entnommen. Gleichzeitig sorgt die Baubranche deutschlandweit jährlich für 230 Mio. Tonnen Abfall, das sind rund 54 Prozent des gesamten Abfallaufkommens in Deutschland. Darunter sind auch nicht recycelbare Baustoffe, die als Sondermüll entsorgt werden müssen, wie beispielsweise die bis 2016 in Wärmedämmverbundsystemen mit dem Flammschutzmittel HBCD versehenen Polystyrolplatten.
Denkmalpflegerische Vorgehensweisen sind demgegenüber wegweisend für den ressourcenschonenden Umgang mit allen Bestandsbauten: Bis in die 1950er-Jahre wurden so gut wie keine durch Umweltgifte belasteten Baustoffe, sondern natürliche, gesundheitlich unbedenkliche, zumeist regional gewonnene Materialien wie Holz, Lehm, Ziegel, Stroh etc. eingesetzt. Substanzerhaltung und substanzschonende Reparaturen mit ökologischen oder wiederverwerteten Baustoffen sind nachhaltig. Die Instandsetzung eines bestehenden Gebäudes löst im Regelfall deutlich weniger energetischen Aufwand aus wie ein Neubau. Dieses gilt auch bei der Erhaltung jüngerer Denkmäler aus industriell gefertigten Materialien, welche nicht erneut unter hohem Energieeinsatz produziert werden müssen.
In NRW sind rund 1,5 Prozent des Gesamtgebäudebestandes denkmalgeschützt. Ein nachhaltiger Umgang mit dem kulturellen Erbe bedarf des Schutzes von überlieferter Bausubstanz und Erscheinungsbild, weshalb eine Fokussierung der Energieeinsparmaßnahmen auf die Gebäudehüllen kritisch gesehen werden muss. Die Schutzziele können nur durch entsprechende Ausnahmeregelungen bezüglich der energetischen Vorgaben für Baudenkmale und erhaltenswerte Bausubstanz erreicht werden.
Eine energetische Verbesserung wird hiermit nicht ausgeschlossen und kann beispielsweise unter Einbeziehung von qualifizierten Energieberater*innen für Baudenkmäler und auf der Grundlage der DIN-Norm EN 16883:2017-08 ("Erhaltung des kulturellen Erbes – Leitlinien für die Verbesserung der energiebezogenen Leistung von historisch, architektonisch oder kulturell wertvollen Gebäuden") denkmalverträglich umgesetzt werden. Innendämmung, Rohrleitungsdämmung, anlagentechnische Optimierungen – individuelle Lösungen zur energetischen Ertüchtigung von Baudenkmälern sind vielfältig und bedürfen einer qualifizierten Beratung. Da jedes Denkmal ein Unikat ist, muss jeder Einzelfall geprüft werden mit dem Ziel einer guten Lösung für Denkmal und Eigentümer*in.
Die Denkmalpflege setzt sich schon seit langem damit auseinander, wie sich Energieeffizienz und Erneuerbare Energien auf die Bausubstanz und das Erscheinungsbild der gebauten Umwelt auswirken. Sie ist stets an guten Lösungen interessiert und hat bereits individuell angepasste Lösungsvorschläge erarbeitet. So wird das Gebäudeenergiegesetz angepasst angewendet und das KfW-Sonderprogramm für Baudenkmäler ermöglicht es, die Energiebilanz von Gebäuden ganzheitlich und nicht nur bauteilbezogen zu betrachten.
Das LVR-ADR hat schon 2014 einen Leitfaden zur energetischen Optimierung von denkmalgeschützten Bauten entwickelt:
Leitfaden des LVR-ADR: "Energetische Optimierung von Baudenkmälern" (PDF, 2,37 MB)
Zahlreiche weitere Veröffentlichungen mit Vorschlägen zur energieeffizienten und denkmalgerechten Sanierung von Baudenkmalen sind bundesweit erhältlich, darunter:
VDL-Arbeitsheft "Energetische Ertüchtigung am Baudenkmal"
VDL-Arbeitsheft "Innendämmung im Baudenkmal"
Historische Altstädte und Quartiere sind an sich nachhaltig und bieten gute Voraussetzungen zur Dekarbonisierung. Die historisch gewachsene dichte Bebauung gibt ein energetisch günstiges Verhältnis von großem Volumen zu relativ kleinen Außenflächen vor. Sie bietet gute Möglichkeiten zu Effizienzsteigerungen durch zentrale Energieversorgungstechniken wie effiziente Heizenergie- und Warmwasserversorgung durch Nah- und Fernwärmenetze. Eine Vernetzung des Baubestands durch intelligente Quartierskonzepte kann z.B. unter Nutzung regenerativer Energien - auf der Basis von Geothermie, solarthermischen Großanlagen oder Großwärmepumpen – erfolgen und so einen wichtigen Beitrag zur Klimaneutralität leisten.
Solarthermie- und Photovoltaikanlagen verändern durch Farbe, Oberflächenbeschaffenheit, Größe und Material das Erscheinungsbild eines Gebäudes. Daher muss sorgsam geprüft werden, inwieweit sie auch den Denkmalwert tangieren. Folglich bestehen Anforderungen an die mögliche Errichtung von Solar- und PV-Anlagen auf Baudenkmälern und somit eine besondere Herausforderung bei der Suche nach einer denkmalverträglichen Lösung.
Das LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland berät die örtlich zuständigen Unteren Denkmalbehörden im Rahmen des Erlaubnisverfahrens für Solar- und PV-Anlagen. Unser primäres Ziel ist es auch in diesem Zusammenhang, die prägenden Bedeutungsmerkmale der Denkmäler zu identifizieren und auf der Suche nach einer Lösung zusammen mit den Unteren Denkmalbehörden und der Eigentümerschaft im Blick zu behalten. Zur Überprüfung der Denkmalverträglichkeit haben die Denkmalfachämter inzwischen eine umfassende Methodik entwickelt.
Das LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland hat hierzu ein Positionspapier und eine Checkliste „Denkmäler und Energiegewinnung durch Solaranlagen“ erstellt und bietet einen interaktiven Prüfbogen „Denkmalrechtliche Prüfung von Anträgen Solarthermie und Photovoltaik-Anlagen nach DSchG NRW“ an:
Das Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung des Landes NRW hat am 08.11.2022 "Entscheidungsrichtlinien für Solaranlagen auf Denkmälern" veröffentlicht.
Bundesweit formuliert die VDL 2023 mit fünf Punkten für einen nachhaltigen Einsatz von Solaranlagen auf und an Denkmälern den Anspruch der Denkmalpflege, Teil der Lösung zu sein:
VDL-Positionspapier "Die Nutzung von Sonnenenergie am Denkmal"
Seit 2024 liegt nun auch ein Arbeitsheft "Solaranlagen am Baudenkmal" der VDL vor. Es gibt Hinweise zum denkmalgerechten Umgang mit Solaranlagen, indem es die gesetzlichen Voraussetzungen für das Genehmigungsverfahren und die denkmalfachlichen Grundlagen der Abwägungsentscheidungen beschreibt. Auch liefert es technische Informationen zu Photovoltaik- und solarthermischen Anlagen:
VDL-Arbeitsheft "Solaranlagen am Baudenkmal"
Weitere vertiefende Ausführungen des LVR-ADR rund um das Thema werden wir künftig hier fortschreiben.
Zur aktuellen Rechtslage informierte unsere Justitiarin Antje Clausmeyer in einem Vortrag "Klima schlägt Denkmal? Zur aktuellen Rechtslage" anlässlich des 34. Kölner Gesprächs zu Architektur und Denkmalpflege am 27. Mai 2024 im LVR-Kulturzentrum Abtei Brauweiler. Aufgrund der Aktualität stellen wir Ihnen hier die Präsentation zu ihrem Vortrag zur Verfügung; den kompletten Redebeitrag finden Sie zum Nachlesen in unserer im November erscheinenden Tagungsdokumentation "Heißes Thema: Solarenergie auf Denkmälern" in der Reihe unserer Mitteilungshefte veröffentlicht.
Traditionelle Bauweisen zeichnen sich durch ihre Anpassung an regionale Klimabedingungen aus. Historische Parks und Gärten beispielsweise speichern durch ihren meist hohen Grünanteil weniger Wärme und tragen durch die Verdunstung der Pflanzen zur Abkühlung des lokalen Klimas bei. Damit erfüllen sie eine wichtige Funktion in Wärme- und Hitzeperioden.
Der Klimawandel führt zu einer Zunahme der Häufigkeit, Intensität und Dauer extremer Wetterereignisse. Hier gilt es, den Fachverstand der Denkmalpflege zu nutzen, um Konzepte für präventive Anpassungsmaßnahmen bei Extremwetterereignissen an Bau- und Gartendenkmalen zu entwickeln und in einem Katastrophenrisikomanagement umzusetzen. Die Stärkung der Resilienz des Kulturerbes gegen den Klimawandel ist naturgemäß ein über Ländergrenzen hinausgehendes Anliegen. Empfehlungen hierzu wurden 2022 durch eine Expert*innengruppe der Europäischen Union in einem Abschlussbericht zusammengetragen:
Gleichzeitig wird auch der interdisziplinäre Austausch zum Kulturerbeschutz intensiver vorangetrieben: In 2022 und 2023 ermittelten und bewerteten ICOMOS Deutschland, die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU), die Deutsche UNESCO-Kommission, das Deutsche Nationalkomitee für Denkmalschutz (DNK), das GERICS Climate Service Center Germany und die Vereinigung der Denkmalfachämter in den Ländern (VDL) die aktuellen Herausforderungen der Denkmalpflege in Zeiten klimatischer Veränderungen. Ergebnis ist ein Positionspapier zum Thema Kulturerbe und Klimawandel. Mit ihrer Unterzeichnung verpflichten sich die beteiligten Einrichtungen, die Bedeutung des Klimawandels für das kulturelle Erbe in ihrer Arbeit zu stärken:
Die Notfallplanung ist ein wichtiges Instrument im Kulturgutschutz. Schon heute beschäftigt sich die Denkmalpflege im Austausch mit anderen Disziplinen eingehend mit der Entwicklung von Notfall-Strategien. Das LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland sieht hier seine primäre Aufgabe darin, nach einer Naturkatastrophe Informationen schnell bereitstellen zu können. Bereits im Nachgang des Hochwassers 2021 wurden Handreichungen zur Bergung von Ausstattung und Trocknung von Kulturgütern und Gebäuden erstellt und mit einem Infomobil vor Ort den Betroffenen Hilfestellung geboten. Die Vereinigung der Denkmalfachämter in den Ländern (VDL), zu der auch das LVR-ADR gehört, ist Mitglied von Blue Shield Deutschland, einem Verein, der sich für den Schutz von kulturellem Erbe in Konflikt-, Katastrophen- und Notfallsituationen einsetzt. Darüber hinaus bauen wir eine organisatorische Vernetzung zu in diesem Bereich arbeitenden Organisationen auf, etwa dem Kulturgüterschutz der Feuerwehren im Rheinland und dem Technischen Hilfswerk. Eine Notfallkoordination im LVR-ADR ist zu diesem Zweck eingerichtet worden.
Unsere Hochwasser-Informationen finden Sie hier.
International setzt sich die nichtstaatliche Organisation ICOMOS (International Council on Monuments and Sites), Beraterorganisation der UNESCO, für Schutz und Pflege von Denkmälern und Denkmalbereichen und die Bewahrung des historischen Kulturerbes ein. Ihre Climate Action Working Group sammelt weltweit Informationen zu Klimaschutzaktivitäten im Kontext des kulturellen Erbes und bringt diese Themen auf internationalen Kultur- und Klimakonferenzen ein. Auch das Climate Heritage Network (CHN), ein Zusammenschluss von Kulturorganisationen, verfolgt das Ziel, das kulturelle Erbe beim Umgang mit dem Klimawandel zu vertreten. Europaweite Anstrengungen, den Erhalt des Kulturerbes erfolgreich im Kontext des Green Deal zu verankern, unternimmt u.a. Europa Nostra, ein europäischer Denkmalschutzverbund mit Sitz in Den Haag.
Reduce - Repair - Reuse - Recycle: die vier R´s, in ökologischen Zusammenhängen in aller Munde, treffen nahezu perfekt mit den Anliegen der Denkmalpflege zusammen. Substanzerhaltung und substanzschonende Reparaturen mit ökologischen oder wiederverwerteten Baustoffen zeigen Wege vom kurzfristigen Verbrauchsdenken der Wegwerf-Gesellschaft hin zur Nachhaltigkeit auf. Ein bestehendes Gebäude weiter zu nutzen, bedeutet den einmal aufgewendeten energetischen Aufwand weiterhin zu gebrauchen. Lösungen für die denkmalgerechte Weiternutzung oder Umnutzung von historischen Gebäuden gehören zum Alltagsgeschäft der Denkmalpflege, die so im Verein mit den Denkmaleigentümer*innen einen wichtigen gesellschaftlichen Impuls hin zu mehr Ressourcenschonung liefert.