Freistehende aufgeständerte Solaranlage in der unmittelbaren Umgebung einer historischen Hofanlage, zugleich Wetterunterstand für Weidetiere (Foto: Dimitrij Davydov)
Starkregen, Stürme, Trockenheit – die Auswirkungen des globalen Klimawandels auf unsere Denkmäler sind allgegenwärtig. Forschungseinrichtungen machen sich zusammen mit Denkmalpfleger*innen in Ämtern und Behörden intensiv Gedanken, wie das baukulturelle Erbe vor Naturereignissen geschützt, widerstandsfähig und in eine neue Epoche gerettet werden kann. Zugleich gilt es, fossile Energieträger einzusparen, Treibhausgase zu minimieren und den Energieaufwand insgesamt zu reduzieren, um die Klimaziele zu erreichen. Baudenkmäler können dazu einen Beitrag leisten, indem sie im Rahmen einer ganzheitlichen Betrachtung des baulichen Gefüges energetisch ertüchtigt respektive optimiert werden. Zudem möchten wir in den Denkmalpflegeinstitutionen Denkmaleigentümer*innen sowohl bei ihren ideellen Zielen, aber auch hinsichtlich ihrer berechtigten wirtschaftlichen Interessen angesichts der steigenden Energiepreise unterstützen, regenerative Energie auch im Denkmalkontext nutzen zu können.
Am 01.06.2022 ist das neue nordrhein-westfälische Denkmalschutzgesetz (DSchG NRW) in Kraft getreten. Dort haben unter politischem Druck, wie in anderen Ländergesetzen auch, erstmals sachfremde Belange Aufnahme gefunden, neben der Barrierefreiheit auch solche des Wohnungsbaus, des Klimas und des Einsatzes erneuerbarer Energien - letzterer begleitet von einem nicht unerheblichen medialen Rauschen. Dabei spielte die Berücksichtigung der aufgeführten Belange schon in Zeiten der lange eingeübten Vorgängernorm eine verbindliche Rolle bei den abwägenden Einzelfallentscheidungen der Unteren Denkmalbehörden (UDB). Und auch der seit Juni sehnlichst erwartete Erlass des Ministeriums für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung des Landes NRW (MHKBD) „Entscheidungsleitlinien für Solaranlagen auf Denkmälern“ vom 08.11.2022 besagt (nichts Anderes): Einzelfallprüfung für jede beantragte Maßnahme und Abwägung der konkurrierenden Belange. Denn, der „Denkmalschutz […] ist in Artikel 18 der Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen verankert und genießt damit als verfassungsrechtlich geschütztes Kulturgut einen mit dem Artikel 20a GG vergleichbaren Rang. Ein absoluter Abwägungsvorrang der erneuerbaren Energien gegenüber den Belangen des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege besteht damit nicht.“
Jeder Prüfung im Einzelfall liegt eine Beschäftigung mit den spezifischen Bedeutungswerten des Denkmals und seines zum Zeitpunkt der Betrachtung spezifischen materiellen Erhaltungszustands zu Grunde. Diese Beschäftigung konzentriert sich auf alle Fragestellungen rund um die Auswirkungen der vorgesehenen Maßnahme auf Charakteristika und überlieferte Substanz. Dabei ist auch immer die spezifische Raumwirkung des Denkmals von Interesse und alle damit zusammenhängenden Betrachtungsstandorte, die die Wahrnehmung des Denkmals in seiner Umgebung ermöglichen. Die Einzelfallprüfung ist auch dann erforderlich, wenn es z.B. um typengleiche Häuser in einer Wohnsiedlung geht, weil individuelle Erhaltungszustände, vorhergehende Veränderungen, die städtebauliche Disposition innerhalb des geschützten Ensembles etc. ausschlaggebend sind für das Ergebnis der Prüfung.
Als unabhängiges beratendes Denkmalfachamt ist das LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland (LVR-ADR) zumeist im Vorfeld von Antragsverfahren in die Entscheidungsprozesse involviert oder aber spätestens mit der Anhörung vor Erteilung einer denkmalrechtlichen Erlaubnis, wenn die Entscheidungsfindung bei der UDB weit gereift und begründet vorgetragen wird. Dabei ist es uns nur in Ausnahmefällen möglich, die Auswirkungen der jeweils projektierten Maßnahme vor Ort zu verifizieren. Deshalb ist es umso wichtiger, dass die bei den Entscheidungsträgern zur Prüfung eingereichten Bauvorlagen eindeutig und vollständig sind, da erst damit eine konkrete Bewertung möglich wird. Leider erfahren wir in den allerseltensten Fällen davon, ob und wann ggf. eine Maßnahme realisiert wurde. Somit gelingt auch die Überprüfung oder gar Dokumentation der eigenen fachlichen Einschätzung am umgesetzten Ergebnis nur in Ausnahmefällen.
Monschau-Dreistegen, ehem. Kunst- und Reißwollfabrik am Zusammenfluss von Perlbach und Rur (Foto: Hans Brauer, LVR-ADR)
Einen jüngeren Fall, der die systemische Schwierigkeit der fachlichen Bewertung in diesem Zusammenhang veranschaulichen kann, stellt das Verfahren zur Ausstattung des ehemaligen Fabrikkomplexes in Monschau-Dreistegen mit einer großflächigen PV-Anlage dar. Hier war dem Eigentümer in den vergangenen Jahren die Instandsetzung und Wiederbelebung des ruinösen Industriedenkmals geglückt, indem die vorhandenen Umfassungswände aus Bruchstein erhalten und durch eine aus dem Bestand entwickelte, zeitgenössische Architektur qualitätvoll ergänzt und erweitert wurden. Im Planungsprozess hatte man, trotz des prognostiziert hohen Energiebedarfs der Betreiberin, die Nutzung solarer Energie nicht primär in Betracht gezogen. Erst nach der Vollendung der Gesamtanlage wurde das Thema neu angegangen, was seitens des LVR-ADR zunächst als vertane Chance gesehen wurde, da die PV-Module nicht von Anbeginn als Planungsaufgabe bzw. Teil der neuen Architektur mitgedacht werden konnten. Weil im Zuge des Antragsverfahrens für die PV-Anlage die Bauvorlagen nicht dahingehend qualifiziert wurden, dass dem LVR-ADR eine abschließende Beurteilung der Auswirkungen auf den Bestand möglich war, konnten wir zwar noch zahlreiche fachliche Hinweise für eine denkbare Realisierung gegenüber UDB und Bauherrn einbringen, aber keine befürwortende Stellungnahme mehr abgeben. Die denkmalrechtliche Erlaubnis wurde dennoch erteilt und die Maßnahme zügig umgesetzt. Das hier im Bild dokumentierte Ergebnis belegt den anhaltend hohen Qualitätsanspruch des Bauherrn und nicht zuletzt auch das Aufgreifen der fachlichen Empfehlungen an die Umsetzung. Diese hat für das Baudenkmal und seine prägenden Eigenschaften keine Beeinträchtigungen nach sich gezogen, weil sich die gewählten Module in Farbigkeit, Raster und bündiger Anbringung auf den neuen Dachflächen ohne Störung in das Gesamtbild einfügen. Das Monschauer Beispiel zeigt, dass sich Denkmalpflege und Solaranlagen keinesfalls ausschließen, selbst wenn im Einzelfall – wie hier – die Sichtbarkeit gegeben ist.
Das Monschauer Beispiel und ähnlich gelagerte Verfahren haben uns dazu bewogen, eine Handreichung zu erarbeiten, die es den UDB ermöglicht, alle fachlichen Fragestellungen systematisch zu bearbeiten, um einerseits gezielt die Vervollständigung der Bauvorlagen betreiben zu können und zum anderen zu einem begründeten Entscheidungsentwurf zu kommen. Dieser soll als Grundlage für die Anhörung des Fachamtes dienen und somit künftig zu einer Beschleunigung der Verfahren beitragen. Die LVR-Checkliste „Denkmäler und Solaranlagen“ wurde bereits anlässlich einer Tagung des MHKBD im November 2021 vorgestellt und steht seither in jeweils aktualisierter Fassung auf der Internetseite des LVR-ADR allen Interessierten zur Verfügung. Die vielfach angefragte individuelle Präsentation und Erörterung dieser Handreichung im Rahmen von Videokonferenzen mit Denkmalbehörden, Denkmalbetreiber*innen und interessierten Laien (auch bundesweit) hat uns darin bestärkt, dass der Beitrag des Denkmalfachamtes nicht umsonst war. Insbesondere die Rückmeldung, dass der hier auch für den Laien transparent gemachte Prozess der Entscheidungsfindung einen großen Vertrauensgewinn darstellt, freut umso mehr.
Als Ergänzung zur Checkliste haben wir einen Prüfbogen (als interaktives PDF) veröffentlicht, der insbesondere die Arbeit bzw. die Lösungsfindung der Denkmalbehörden nochmals vereinfacht und zudem formal dazu dienen kann, dass die besondere Betrachtung des Belangs im Sinne des neuen § 9 DSchG NRW aktenrelevant dokumentiert ist. Dass Anregung und Entwurf dazu von den Kolleginnen der UDB der Stadt Hennef im Rhein-Sieg-Kreis kamen, möchten wir auch an dieser Stelle dankend hervorheben.
Beide Handreichungen – Checkliste und Prüfbogen – sind dazu gedacht, die Sonderordnungsbehörden fachlich zu unterstützen bzw. in die Lage zu versetzen, Fragestellungen so gut vorzubereiten, dass alle zur Bewertung erforderlichen Abwägungsgegenstände vorliegen. Als unabhängiges Denkmalfachamt möchten wir erst dann gezielt in die Entscheidungsprozesse einsteigen, wenn es darum geht, die Erheblichkeit der Eingriffe ins Denkmal zu bewerten bzw. unsere jeweils eigene fachliche Auffassung im Rahmen der Anhörung begründet vorzutragen. Für diejenigen fachlich besetzten Kommunen, mit denen wir in den Vorjahren bereits Verwaltungsvereinbarungen geschlossen haben, soll vorbehaltlich einer dahingehenden schriftlichen Erweiterung gelten: Wenn keine Beeinträchtigung für Substanz und/oder Erscheinungsbild zu erkennen ist, möge die Entscheidung ohne Mitwirkung des LVR-ADR getroffen werden, da Bestandteil der Anhörungsfiktion im Rahmen der Vereinbarung. Die Erlaubnis mit Begründung erbitten wir wie gewohnt in Kopie für die Akte des LVR-ADR. Wir hoffen, dass wir aufgrund unserer künftig fortzuschreibenden fachlichen Vorbereitungen hier auch für die Vereinfachung der Verfahren und Einzelfallentscheidungen einen guten Weg gefunden haben.
Wir freuen uns über Ihre Hinweise auf umgesetzte Beispiele von Solaranlagen im Landesteil Rheinland, die im Zuge eines denkmalrechtlichen Verfahrens erlaubt wurden. Weil Bewertungen nur im Kontext nachvollziehbar sind, bitten wir um Zusendung von Fotos, zusammen mit allen Hintergrundinformationen. Dafür können Sie den von uns erarbeiteten Prüfbogen verwenden. Zuschriften bitte an bkd.assistenz@lvr.de.