07. Juli 2023 | Pressemeldung
Auf der Mauerkrone des im 14. Jahrhundert errichteten Bauwerks, aber auch in Vertiefungen und Spalten der Mauerflanken, haben sich im Laufe der Jahrhunderte fast einzigartige Biotope entwickeln können: Das seltene Zwiebel-Rispengras ist dort ebenso beheimatet wie die Moospuppenschnecke, die Zahnlose Schließmundschnecke und viele weitere vom Aussterben bedrohte Moose, Flechten, Farne und Tierarten.
Als die Sanierung der in ihrer Standsicherheit gefährdeten Stadtmauer der ehemaligen „Feste Zons“ anstand, war klar, dass die Tier- und Pflanzenwelt weitgehend ungestört bleiben müsse. So ging die Stadt Dormagen einen besonderen Weg: Sie holte sich nicht nur fachlichen Rat beim Denkmalpflege-Fachamt des Landschaftsverbandes Rheinland (LVR), sondern auch bei der Biologischen Station im Rhein-Kreis Neuss. Gemeinsam mit einem Fachbetrieb für Steinrestaurierung, der Unteren Denkmalbehörde der Stadt Dormagen und den ausführenden Handwerkern wurde ein Konzept entwickelt, das die denkmalpflegerischen und ökologischen Belange gleichermaßen berücksichtigte.
Hand in Hand arbeiteten Maurer, Biologen und Denkmalpfleger behutsam an der Instandsetzung der Mauer, immer darauf bedacht, die bedeutenden baulichen Befunde und das sensible Ökosystem so wenig wie möglich zu stören. So wurde das auf der Mauerkrone aufliegende Erdreich abgetragen und eingelagert, um nach Fertigstellung der Restaurierungsmaßnahme mitsamt seinen biologischen Einlagerungen wieder auf die Mauerkrone zurückgebracht zu werden. Abschließend wurde die zuvor abgenommene und möglicherweise aus der Erbauungszeit stammende Rasensodenschicht als oberste schützende Schicht auf die Mauerkrone aufgebracht. Vertiefungen in der Mauer blieben nach Möglichkeit mitsamt ihrem biologischen Material erhalten.
Auch ein spezieller Mörtel, Kalkspatzenmörtel genannt, unterstützt mit seinen erbsengroßen Kalkeinschlüssen die Ansiedlung von Tier- und Pflanzenarten. Der Mörtel ist - anders als Zement - zudem in der Lage, Kohlendioxid aus der Luft aufzunehmen und zu binden.
Das Ergebnis der Kooperation ist eine „lebende“ Mauer, deren Bewuchs in vielerlei Farben blüht. Einzelne Abschnitte sind als historische Zeugnisse und ökologisch so bedeutsam, dass sich die Beteiligten einigten, sie unberührt zu lassen. Diese Mauerabschnitte wurden lediglich mit einem Stahlnetz gesichert.
Zitate:
Dr. Martin Brans, Technischer Beigeordneter der Stadt Dormagen: „Die Herausforderung bei diesem Sanierungsprojekt bestand einerseits darin, die Standsicherheit des Bauwerkes zu verbessern, so dass von diesem keine Gefahr ausgeht, und andererseits so weit wie eben möglich Fauna und Flora zu schützen. Ich habe den Eindruck, dass dieser vermeintliche Zielkonflikt von allen Beteiligten erfolgreich gelöst wurde.“
Dipl.-Restaurator Christoph Schaab, LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland (LVR-ADR): „Diese Sanierung ist ein gelungenes Pilotprojekt, das bei anderen vergleichbaren Stadtmauersanierungen als Vorbild dienen kann. Ich denke da an die Stadtmauer von Nideggen, die ebenfalls einer Instandsetzung bedarf. Denkmalpflege und Artenschutz sind an Objekten wie diesem die geborenen Partner. “
Thomas Braun, Biologische Station im Rhein-Kreis Neuss e.V.: „Die Stadtmauer von Zons ist ein Biotop, das seinesgleichen sucht. Es ist ein Glücksfall, dass wir Biologen die Möglichkeit hatten, die Instandsetzung zu begleiten. Die Mauer muss also auch aus ökologischen Gründen erhalten bleiben.“
Zahlen und Fakten:
Die Stadtmauer der ehemals kurkölnischen Zollfeste Zons, gegründet im 14. Jahrhundert von Erzbischof Friedrich III. von Saarwerden, ist fast vollständig erhalten. Insgesamt ist die Mauer rund 1000 Meter lang. Die jüngst abgeschlossene Sanierung an der Westmauer erstreckt sich über gut 100 Meter.
Die Sanierung dieses Mauerabschnitts kostete 336.000 Euro. 144.000 Euro zahlte der Bund an Fördermitteln, 40.000 die NRW Stiftung und 5.000 Euro der Förderverein Denkmalschutz Stadt Zons e.V. Den Rest finanzierte die Stadt Dormagen.
Fotos zum Herunterladen:
LVR-Steinrestaurator Christoph Schaab an der Westmauer nach der Instandsetzung (JPG, 510 KB)