06. November 2024 | Pressemeldung
Rheinland. Kreise Aachen, Düren, Euskirchen, Heinsberg, Oberberg, Rhein-Erft, Rhein-Sieg, Viersen, Wesel. – Ein Meilenstein für die Bauforschung im Rheinland ist das neu eingerichtete Labor für Dendrochronologie im LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland (LVR-ADR). Als einziges Denkmalpflege-Fachamt Deutschlands ist es nun in der Lage, durch die Auswertung von Jahrringen das Alter von verbauten Hölzern zu ermitteln. Damit lässt sich in vielen Fällen auf das Entstehungsjahr ganzer Häuser schließen.
„Da Bauholz in früheren Zeiten in der Regel frisch verbaut wurde, können wir mithilfe der Dendrochronologie viele Gebäude sehr genau datieren“, so Anne Lambert, Bauforscherin im Denkmalpflege-Fachamt mit Sitz in der Abtei Brauweiler.
Neben der Laboreinrichtung, zu der ein Spezialmikroskop, ein Messtisch und digitales Kartenmaterial gehören, braucht es vor allem Know-How zur Auswertung der Proben. Dass das nun im LVR-ADR vorhanden ist, ist der Kooperation mit der Universität Bamberg zu verdanken. Am Lehrstuhl für Denkmalpflege und Gefügekunde gingen Lambert und zwei Kollegen, die Restauratoren Norbert Engels und Werner v. Schorlemer, in den vergangenen Monaten quasi noch einmal in die Lehre.
Ihr Lehrmeister: Dr. Thomas Eißing, Leiter des dortigen Labors für Dendrochronologie und Gefügekunde, ist aus wissenschaftlichen Gründen daran interessiert, die um 1900 mit der händischen Zählung von Jahrringen begründete Methode für die Anwendung in der Denkmalpflege weiter voranzubringen. Denn mit jeder erfolgreich untersuchten Holzprobe – einem etwa bleistiftstarken Bohrkern – erweitert sich das digitale Kurvenmaterial, das seinerseits neue Datierungen ermöglicht.
Die Zusammenarbeit mit der Universität Bamberg begann nach der Flutkatastrophe vom 14. Juli 2021. Allein in Bad Münstereifel waren zahlreiche denkmalgeschützte Gebäude vom Wasser so beschädigt worden, dass ehemals verdeckte hölzerne Bauteile nun freilagen und untersucht werden konnten. In den beiden Folgejahren wurden 34 Objekte mit 217 Proben datiert. Die Auswertung ergab neue weitreichende Erkenntnisse zur Stadtentwicklung, Hausforschung sowie zur historischen Holzwirtschaft. Unter anderem ließ sich belegen, dass viele der rund 360 Denkmäler in Stadtgebiet älter sind als angenommen - einzelne gehen ins frühe 15. Jahrhundert zurück.
Aber auch jenseits des Flutgebiets konnte das LVR-Team im Rahmen der Kooperation zu neuen Datierungen durch Einsatz der Dendrochronologie kommen. Denkmalgeschützte Fachwerkhäuser, Schlösser und Burgen in Aachen, Kornelimünster, Nideggen, Engelskirchen, Bornheim, Voerde, Hennef, Mechernich, Nümbrecht, Nettetal und Wegberg wurden zwischenzeitlich erforscht.
„Wenn die dendrochronologische Untersuchung ergibt, dass ein Gebäude wesentlich älter ist als bisher angenommen, dann wird es meist mehr wertgeschätzt“, so Anne Lambert. Das helfe der Wissenschaft und den Erhaltungsbemühungen der Denkmalpflege.
Als Ziel der rheinisch-fränkischen Kooperation nennt Lambert die Weiterentwicklung der Dendrochronologie. Dazu gehöre der Ausbau sogenannter Regionalchronologien, die Forschung zu Bautypologien und Hauslandschaften und ein Konzept zur langfristigen digitalen und analogen Sicherung der dendrochronologischen Daten und Proben.
Ein weiteres Ziel seien die Nachwuchsförderung und die Sicherstellung der Fachexpertise für die amtliche Denkmalpflege. Wichtig ist allen Beteiligten, kommerziellen Dendro-Laboren keine Konkurrenz zu machen. Die Untersuchungen des Fachamts dienen allein wissenschaftlichen Zwecken.
Fotos zum Herunterladen:
Dr. Thomas Eißing, Universität Bamberg, mit Anne Lambert, Werner v. Schorlemer, Norbert Engels und Marc Peez (v.l., LVR-ADR) (JPG, 1,26 MB)