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08. September 2022 | Pressemeldung

Rheinberger Stadthaus soll Denkmal werden

Rheinberg, Pulheim-Brauweiler. Das LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland (LVR-ADR) hat das Stadthaus in Rheinberg von Gottfried Böhm positiv auf seinen Denkmalwert hin untersucht. Der Antrag zur Unterschutzstellung des faszinierenden Baudenkmals ist bei der Kommune gestellt.

Als die Stadt Rheinberg 1975 auf Gottfried Böhm zukam und ihn zu Entwürfen für einen „Kombinationsbau“ aus Rathaus und Stadthalle aufforderte, kehrte ein über zehn Jahre altes Projekt unter neuen Vorzeichen auf den Schreibtisch des renommierten Architekten zurück. Böhm hatte bereits 1964 Pläne für einen Rathauserweiterungsbau eingereicht – ein Projekt, das sich aber in langwierigen politischen Diskussionen um Standort und Finanzierung zerschlagen hatte.
1975 standen die Sterne dann günstig. Aus der kontrovers diskutierten Erweiterung des historischen Rathauses aus dem 15. Jahrhundert, von der kritischen Öffentlichkeit auch als „Lustschlösschen“ bezeichnet, und einem ebenfalls umstrittenen Stadthallenprojekt im Stadtpark hatte sich die Idee zu einem Bau entwickelt, der beiden Funktionen dienen und zudem einen Beitrag zur innerstädtischen Neuordnung leisten sollte. Böhm überzeugte den Stadtrat mit seinem Vorentwurf, der sich dann, teilweise während des Baus, in mehreren Schritten weiterentwickelte, bis er seine endgültige Form fand. Auch die Namensgebung war ein Prozess. 1981 konnte das nun „Stadthaus“ getaufte Projekt seiner Bestimmung als Rathaus und Stadthalle übergeben werden und eroberte sich schnell einen festen Platz im Herzen der Menschen der Stadt. „Spürbar ist bis heute der Stolz der Bürgerschaft auf ihr Stadthaus, das seine Doppelfunktion heute wie zur Erbauungszeit vor fast einem halben Jahrhundert erfüllt und seitdem unvermindert Gäste von außerhalb anzieht“, weiß Martin Bredenbeck, wissenschaftlicher Referent beim LVR-ADR, der selbst von seinem Forschungsobjekt fasziniert ist.

100. Geburtstag, 40. Jubiläum und eine Prüfung
Der 100. Geburtstag Gottfried Böhms, den der weltbekannte und vielfach ausgezeichnete Architekt 2020 feierte, war für das LVR-ADR ein willkommener Anlass, sich verstärkt dem Schaffen Böhms zu widmen. Das Stadthaus Rheinberg, für das 2021 das 40. Einweihungsjubiläum bevorstand, erwies sich als vielversprechender Kandidat für die Prüfung seines Denkmalwerts. Die fachliche Aufarbeitung traf sich gut mit dem Vorschlag einer der Rheinberger Ratsfraktionen, die 2020 ebenfalls den Vorschlag zur Unterschutzstellung aufgebracht hatte.
Im Rahmen seiner Nachforschung hat Bredenbeck das Gebäude gründlich unter die Lupe genommen, gemeinsam mit der Unteren Denkmalbehörde der Stadt Rheinberg die Bauakten ausgewertet und Literatur durchforstet. Das Stadtarchiv Rheinberg steuerte seine umfangreiche Foto- und Zeitungsausschnitt-Sammlung bei. Im Ergebnis stand Ende 2021 fest: Das Stadthaus erfüllt die Kriterien für ein Baudenkmal. Das ausführliche Gutachten des Denkmalpflege-Fachamts wurde mit einem Antrag auf Unterschutzstellung Mitte August 2022 an die Stadt übermittelt, am 6. September konnte das Ergebnis der Recherche dem Stadtentwicklungsausschuss vorgestellt werden.

„Komm doch mit…“: ins Stadthaus!
Der Werbespruch des bekannten Rheinberger Bitterlikör-Herstellers muss nur ein wenig umgedeutet werden, schon verdeutlicht er die einladende Geste von Böhms Architektur. Eine fünfteilige Giebelfront öffnet sich in ihrer Mitte zur Stadt mit einer offenen Vorhalle. Da die Fußgängerzone von Großem Markt und Kirchplatz quasi schwellenlos ins Gebäudeinnere übergeht, stellt der Eingang keine Barriere dar, markiert eigentlich nur den Übergang. Diese gestalterische Offenheit zeichnet den ganzen Bau aus, bei dem sich um den zentralen Saal die drei Büroflügel wie ein Rahmen legen, erschlossen von einem geradezu prunkvollen Treppenhaus. Dabei brauchen die Mitarbeitenden der Stadtverwaltung keine Sorge zu haben, dass sich neugierige Kulturgäste in die Büros verirren, denn die Böhm´sche Raumchoreographie lenkt geschickt auch Ortsfremde an den jeweils richtigen Ort.

Kind seiner Zeit
„Das Stadthaus Rheinberg ist ein zeittypisches Beispiel der damals populären baulichen Zusammenführung verschiedener Funktionsräume“, so Bredenbeck. Gerade durch seine flexible Nutzbarkeit leistete das Gebäude im Zusammenhang mit der Gebietsreform, bei der 1975 die bislang unabhängigen Gemeinden Borth, Budberg und Orsoy zu Rheinberg kamen, einen wichtigen Beitrag der Integration. Denn die neue Stadt bekam ein gemeinsames neues Stadthaus. Für die Innenstadt von Rheinberg war das Stadthaus der wichtigste städtebauliche Impuls der späten Moderne. „Ein bis dahin unbefriedigend geordneter Bereich erfuhr eine große Aufwertung, wobei der Neubau sowohl in Maßstab und Materialität auf die historische Umgebung – immerhin 1988 als Denkmalbereich ausgewiesen – sensibel Bezug nahm. Dadurch verdeutlicht es damals wegweisende Ansätze der baulichen Eingliederung und dokumentiert, dass in den 1970er Jahren die Zeit dominanter Solitäre zu Ende ging, während sich das neue Ideal eines reparierenden Bauens durchsetzte“, weiß der Kunsthistoriker des LVR. Nicht zuletzt sei das Gebäude als Gesamtkunstwerk anzusehen, das mit einer lustvollen Fülle an Kandelabern im Treppenhaus und illusionistischer Textilmalerei im Saal überrascht.

Zum Tag des offenen Denkmals, der 2022 am Sonntag, dem 11. September bundesweit gefeiert wird, wird das Stadthaus Rheinberg zwar noch kein eingetragenes Baudenkmal sein. Aber der bedeutende Bau ist nun auf dem besten Wege dazu, und ein Besuch lohne sich allemal, so Bredenbeck.

Fotos zum Herunterladen:
Stadthaus Rheinberg von Gottfried Böhm, Foto: Stadt Rheinberg (JPG, 834 KB)


Stadthalle Rheinberg von Gottfried Böhm, Großer Saal am Abend, Foto: Stadt Rheinberg (JPG, 1,93 MB)



Pressekontakt: Sabine Cornelius, LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland
sabine.cornelius@lvr.de

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