LVR-Amt für Denkmalpflege
im Rheinland
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Blick in die Kuppel des Oktogons des Weltkulturerbes Aachener Dom

Denkmalpflege im Rheinland

Berichte aus dem Amt

Aktuelle Berichte aus dem LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland, kurz und knapp und auf den Punkt gebracht, von Mitarbeiter*innen des Fachamtes geschrieben:

Denkmalpflege mit großen Ambitionen in Nideggen - Ein Ausblick mit Rückblick

Derzeit verfolgt die Stadt Nideggen im Kreis Düren ambitionierte Pläne für den seit 1996 als Denkmalbereich ausgewiesenen mittelalterlich geprägten Ortskern. Im Rahmen des Förderprogramms "Nationale Projekte des Städtebaus" soll die Anfang des 14. Jahrhunderts durch Gerhard von Jülich planmäßig angelegte Stadt eine nachhaltige Inwertsetzung erfahren. Sie ist heute noch in großem Umfang erlebbar, so etwa in Form des Straßengrundrisses, der substanziell nachgewiesenen Standorte wichtiger Infrastrukturbauten und der Befestigung mit ihren beeindruckenden Toren, Türmen und der fast vollständig erhaltenen Stadtmauer. Das Augenmerk liegt hierbei nicht nur auf dem Erhalt des wertvollen Baubestandes, sondern ist mit einem umfassenden stadtplanerischen Zukunftskonzept verknüpft, das die Zielsetzung verfolgt, das historische Zentrum ausgehend von seiner denkmalgeschützten Substanz als Wohn- und Lebensort sowie als Ausflugsziel auf anspruchsvollem Niveau zu sichern und zu stärken. In diesem Zusammenhang sollen unter anderem Teile der Stadtmauer instandgesetzt, ein bauhistorischer Entdeckerpfad für Kinder, Jugendliche und Erwachsene realisiert und die öffentlichen Verkehrsflächen neugestaltet werden.

Das LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland ist in die Planungen von Anfang an eingebunden und begleitet die Maßnahmen vielfältig mit fachlicher Unterstützung. Dazu zählen auch bauvorbereitende Untersuchungen und der stets enge Austausch über neue Erkenntnisse zur Bausubstanz. Diese fruchtbare Zusammenarbeit stellt in Nideggen keine neue Erfahrung dar, sondern ist schon seit vielen Jahren gelebte Praxis. Sie ist vor Ort vor allem Peter Esser zu verdanken, der seit 1979 im Dienst der Stadtverwaltung als Untere Denkmalbehörde mehrere Jahrzehnte lang den Denkmalschutz vor Ort verantwortete und sich in dieser Funktion einen Namen weit über Nideggen hinaus gemacht hat. Er pflegte nicht nur zu vielen Denkmaleigentümer*innen einen engen Kontakt und stand ihnen mit Rat und Tat zur Seite, vor allem auch, wenn es um die handwerkliche Umsetzung von Maßnahmen ging. Sein Interesse für das baukulturelle Erbe von Nideggen, das im Übrigen auch in den zum Stadtgebiet gehörenden umliegenden Dörfern einen reichen Bestand aufweist, zeigte sich in Tätigkeiten fernab der reinen Verwaltungsverfahren. So trug Peter Esser beispielsweise mit dazu bei, dass zum Verkauf stehende Denkmäler engagierte Eigentümer*innen fanden, übernahm als Geschäftsführer die Geschicke der 1990 gegründeten AG Historische Ortskerne und brachte sich tatkräftig in das Kinder- und Jugendprojekt "Stadt – Land – Burg. Die Mauern von Nideggen" anlässlich des Europäischen Kulturerbejahres (ECHY) im Jahr 2018 ein. Immer den Erhalt der Denkmäler im Blick, scheute er auch keine unkonventionellen Lösungen wie den Einsatz für die Errichtung einer PV-Anlage im Außenbereich, um das Erscheinungsbild eines historischen Scheunendachs zu bewahren. Kennzeichnend waren sicherlich auch seine pragmatischen Herangehensweisen, die zum Ziel hatten, im regen Austausch mit allen beteiligten Akteur*innen die Akzeptanz für den Denkmalschutz zu steigern. Und nicht zuletzt setzte sich Peter Esser immer auch für die Pflege des Handwerks ein. Standardlösungen mit Baumarktelementen lehnte er konsequent ab.

Nach über 30 Jahren hat Peter Esser im vergangenen Oktober den Staffelstab an seine Nachfolgerin Heike Wolff übergeben. Wir sagen danke für die gute Zusammenarbeit zum Wohle der Denkmäler und werden die vielen wertvollen Hinweise seiner langjährigen Erfahrung für die nun anstehende Umsetzung der Großprojekte im Hinterkopf behalten.

Im Rahmen der Vortragsreihe "Denkmalpflege im Blick" werden Dr. Kristin Dohmen und Dr. Jascha Braun am 16.05.2024 um 18.00 Uhr einen Einblick in die vielseitigen aktuellen Projekte der Denkmalpflege in Nideggen geben.


Autor*innen

Foto: Dr. Kristin Dohmen

Dr. Kristin Dohmen

Leiterin Sachgebiet Bauforschung der Abteilung Dokumentation

kristin.dohmen@lvr.de


Dr. Jascha Braun

Gebietsreferent der Abteilung Bau- und Kunstdenkmalpflege

jascha.braun@lvr.de



Gartendenkmal Landschaftspark Duisburg-Nord durch Autobahnverbreiterung in Gefahr

Weithin sichtbar zeugen die stillgelegten Hochöfen des Thyssen-Hüttenwerks Meiderich von der schwerindustriellen Vergangenheit des Ruhrgebiets und von der gelungenen Verwandlung in eine Industriefolgelandschaft. Als das Werk seine Produktion 1985 endgültig einstellte, blieb eine kontaminierte Industriebrache zurück, deren Umnutzung wirtschaftlich unmöglich erschien. Bürgerschaftliches Engagement, der Denkmalschutz und die Internationale Bauausstellung Emscher Park 1989–1999 verhalfen den Industrieanlagen zu neuem Leben. Die Bauten werden heute für Freizeit, Sport und Veranstaltungen genutzt. Auf dem großflächigen Betriebsgelände sowie den angrenzenden Arealen der ehemaligen Schachtanlagen, der Sinteranlage und der Masselgießerei mit ihren bewachsenen Brachflächen, Bahndämmen, Halden und wasserbaulichen Anlagen gestaltete Landschaftsarchitekt Peter Latz eine neuartige Parklandschaft, die 1994 eröffnet wurde. Der Landschaftspark Duisburg-Nord verbindet seither das technische Denkmal, weitere industrielle Relikte und Infrastruktur, vorgefundene Vegetation sowie neue Grüngestaltungen zu einem Gesamtwerk und hat nach mehr als 30 Jahren den Status eines Gartendenkmals erlangt.

Auf der Grundlage des neuen Denkmalschutzgesetzes NRW (DSchG NRW), das am 1. Juni 2022 in Kraft getreten ist, wird der Schutz von "Grün-, Garten- oder Parkanlagen, Friedhöfen oder sonstigen Zeugnissen der Garten- und Landschaftsgestaltung" (§ 2 Abs. 4 DSchG NRW) allerdings weiterhin durch Eintragung in die Denkmalliste nach dem konstitutiven Verfahren mittels Verwaltungsakt der Unteren Denkmalbehörde bewirkt. Die zuständige Bezirksregierung Düsseldorf hat im September 2023 einen vorläufigen Schutzstatus durch Mitteilung der beabsichtigten Denkmaleintragung an die betroffenen Eigentümer*innen erreicht. Der dringende Anlass für die Einleitung des Eintragungsverfahrens ist ein laufendes Planfeststellungsverfahren zur Verbreiterung der Autobahn A59. Im Zuge des sechsstreifigen Ausbaus müssten nicht nur begrünte Böschungen weichen, die wichtige Raumkanten der Parkkonzeption bilden, sondern auch neue Brücken, Entwässerungsbauwerke und Lärmschutzwände hergestellt werden. Die denkmalfachlichen Belange wurden vom LVR-ADR schon im Vorfeld 2019 mitgeteilt, jedoch von der Autobahn GmbH des Bundes lediglich zur Kenntnis genommen und bei der Ausbauplanung bislang weitestgehend ignoriert. So soll beispielsweise die sog. Gleisharfe mit Werksbahntrassen zwischen den historischen Produktionsstätten und heutigen Parkteilen auf einer Breite von etwa 30 m über der Autobahn wohl aus Kostengründen durch zwei schmale Brückenbauwerke ersetzt werden. Dass die durch Wege und Vegetation als Parkelement gestaltete Gleisharfe, falls sie der Baumaßnahme weichen müsste, nach Fertigstellung des Autobahnausbaus nicht wiederhergerichtet werden soll, weil sie von ihrem bisherigen Nutzer, der Werksbahn, nicht mehr benötigt wird, darf bei einem Denkmal jedoch kein Argument sein. Aus Sicht des LVR-ADR ist es erforderlich, die Planungen der Autobahnabschnitte am betroffenen Gartendenkmal "Landschaftspark Duisburg-Nord einschließlich einbezogener Industrierelikte und Infrastruktur" umfangreich zu überarbeiten.


Autorin

Dr. Kerstin Walter

Wissenschaftliche Referentin Gartendenkmalpflege

kerstin.walter@lvr.de



WDR-Westart zum Dreh in der Abtei Brauweiler – das LVR-ADR ist dabei!

„Ton ab, Kamera läuft“ – am 5.2.2024 stattete der WDR auf der Suche nach spannenden Themen und Kultur-Hotspots der Region der Abtei Brauweiler anlässlich ihres 1000-Jahr-Jubiläums einen Besuch ab und schaute auch im LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland vorbei. Die Abteilungen Dokumentation und Restaurierung gaben dem Westart-Team um Moderatorin Mona Ameziane Einblick in ihren Arbeitsalltag und erläuterten Projekte wie die Erstellung eines 3D-Modells der Kirche Alt-St. Martin in Bonn-Muffendorf, die Untersuchung der Reliquienkästen aus dem Xantener Dom St. Viktor oder der Farbfassungen von Skulpturen. Ameziane nutzte den Blick hinter die Kulissen und ließ sich von Dipl.-Rest. Marc Peez, Leiter der Restaurierungswerkstatt für organische Materialien, und FSJ´lerin Anna Lea Mittelstaedt am Mikroskop die verschiedenen Farbfassungen der untersuchten Heiligenskulpturen zeigen.

Wir freuen uns auf die Westart-Sendung am Samstag, den 10.2.24, ab 18.15 Uhr im WDR-Fernsehen!

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Kraftwerk Frimmersdorf II wird Denkmal

Schon 1997 hat die Inventarisation des LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland den besonderen Denkmalwert für das Kraftwerk Frimmersdorf II festgestellt. Nun werden wesentliche Teile der Anlage durch die Stadt Grevenbroich unter Schutz gestellt: neben dem zentralen Kraftwerksbau auch das Verwaltungs- und Pförtnerhaus, beide Grabenbunker, Ascheabsetzbecken und -bunker, Bandanlagen, Rohrbrücken, Pumpenhaus und Kühltürme. Als zuständiges Denkmalfachamt haben wir intensiv auf diesen Erfolg hingearbeitet.

Am 30.01.2024 verkündeten Land, Kreis, Stadt, Eigentümerin RWE und der LVR in einer Pressekonferenz, dass in einem Werkstattverfahren für den zentralen Kraftwerksbau wirtschaftlich tragfähige Nutzungsperspektiven erarbeitet worden sind. Geplant ist ein Digital- und Innovationsstandort im Rheinischen Revier. Das Industriedenkmal bietet aber auch Möglichkeiten zur Vermittlung und zur weiteren kulturellen Nutzung.

Das Kraftwerk wurde 1954-70 errichtet, um den steigenden Energiebedarf zur Zeit des Wirtschaftswunders in der jungen Bundesrepublik zu decken und war zeitweilig das größte Braunkohlenkraftwerk der Welt. Der zentrale Kraftwerksbau mit seinen Kesselhäusern, dem Schwerbau, der markanten Maschinenhalle und den Schaltanlagen besticht durch hohe gestalterische Qualität, eine neuartige Interpretation der Blockbauweise und die bauzeitliche maschinelle Ausstattung. Architektur und technische Innovationen machen die landschaftsprägende Anlage zu einem herausragenden Zeugnis für den Kraftwerksbau der Nachkriegszeit.

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Jetzt auch live auf Instagram: LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland

Mit 130 Jahren neue Wege gehen? Das rheinische Denkmalfachamt tut´s und ist medial künftig auch auf Instagram zu finden. Folgen Sie uns auf unserem Instagram-Kanal @LVR_Denkmalpflege. Begleiten Sie das #TeamDenkmalpflege zu den 52.000 Denkmälern im Rheinland. Schauen Sie, wie wir arbeiten und was Denkmalpflege so spannend macht.

Seien Sie dabei, wenn sich bald jeden Tag ein ganz besonderes „Türchen“ in unserem Denkmal-Adventskalender präsentiert.

Wir freuen uns auf Sie!

Ihr #TeamDenkmalpflege

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Jahrringe messen in Xanten

Der Xantener Dom St. Viktor beherbergte bis zu seiner starken Beschädigung durch die Bombardements im Februar 1945 eine bedeutende Anzahl an spätgotischen Reliquienschaukästen. Acht ehemals auf den Chorschranken positionierte, über vier Meter lange Kästen sind nur noch fragmentarisch erhalten, drei weitere waren evakuiert worden und sind dementsprechend in gutem Zustand. Derzeit werden die vermutlich im ausgehenden 15. Jahrhundert entstandenen, in Eichenholz gefertigten Behältnisse und Fragmente sowie auch die in großer Zahl noch existierenden Reliquien erforscht.

Am 19. Oktober konnte der Dendrochronologe Prof. Dr. Peter Klein aus Hamburg die erhaltenen Kästen und einige der Fragmente untersuchen. Mit einer Mess-Lupe wurden die Breiten der Jahrringe des verwendeten Eichenholzes ermittelt, die Messreihen werden in den kommenden Wochen mit vorhandenen Standardchronologien abgeglichen. Diese zerstörungsfreie Untersuchungsmethode ermöglicht zwar keine jahrgenaue Datierung, da zu den Kernholzringen noch eine unbekannte Anzahl an bei der Bearbeitung entfernten Splintholzringen hinzugerechnet werden muss, die Ergebnisse können aber für die Entstehungsgeschichte der Schaukästen durchaus wichtige Hinweise liefern.

Die dendrochronologischen Untersuchungen werden vom Bistum Münster finanziert und vom Stiftsmuseum Xanten tatkräftig unterstützt; mit der Veröffentlichung der Ergebnisse durch das LVR-ADR ist 2024 zu rechnen.


Autor

Dipl.-Rest. Marc Peez

Leiter der Restaurierungswerkstatt für organische Materialien

marc.peez@lvr.de



Restaurator*innen unter sich: Austausch der Expert*innen des rheinischen und westfälischen Denkmalfachamts

Am 20. September 2023 fand das jährliche Treffen der Restaurator*innen des LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland mit den Kolleg*innen aus der LWL-Denkmalpflege, Landschafts- und Baukultur in Westfalen am rheinischen Amtssitz in Brauweiler statt. Es dient dem fachlichen Austausch wie der Entwicklung von Standards. Themen waren sowohl die Auswirkungen des neuen Denkmalschutzgesetzes NRW auf die Aufgaben und Zuständigkeiten der Amtsrestaurator*innen sowie die organisatorische Aufstellung in den Ämtern, als auch die Präsentation aktueller Projekte mit innovativem Ansatz. So berichtete Dipl.-Rest. Christoph Schaab über die Vereinbarkeit von Naturschutz und Denkmalschutz anhand der kürzlich sanierten Stadtmauer von Zons, Dipl.-Rest. Norbert Engels stellte das Raumbuch zum beweglichen Denkmal MS Stadt Köln vor.

Um sich einen Eindruck von den durch das LVR-ADR begleiteten Restaurierungsarbeiten zu verschaffen, besichtigten die Amtsrestaurator*innen im Anschluss das im Niehler Hafen in Köln vor Anker liegende Ratsschiffs. Udo Giesen, Vorsitzender der „"Freunde und Förderer des Historischen Ratsschiffes MS Stadt Köln e.V., informierte über die wechselvolle Geschichte des seit 1990 denkmalgeschützten Schiffes. Im Mittelpunkt standen jedoch die restauratorischen Problemstellungen bei der Sanierung dieses beweglichen Denkmals, die die verschiedensten Materialsachgebiete betreffen – von der Metallrestaurierung über die Holz- und Möbelrestaurierung bis hin zu Kunststoffen.

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Kaldenkirchener Fußgängerzone soll Denkmal werden

Die Fußgängerzone in Nettetal-Kaldenkirchen ist denkmalwert. Zu diesem Ergebnis kommt das LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland (LVR-ADR) nach seiner Untersuchung des von Georg Penker in Arbeitsgemeinschaft mit Heinz Döhmen Mitte der 1970er Jahre fußgängerfreundlich umgestalteten Ortskerns.

"Der Landschaftsarchitekt Georg Penker hat in Kaldenkirchen ein herausragendes Werk geschaffen", fasst Dr. Kerstin Walter, Inventarisatorin des Sachgebiets Gartendenkmalpflege im LVR-ADR, ihr Gutachten zur Fußgängerzone zusammen. Dem Ortskern mit Stilelementen wie Sitzmauern, Hochbeeten, Brunnen, Skulpturen, Stufenanlagen sowie Pflastergestaltungen in Klinker und Kiesel kommt ein hoher künstlerischer Gestaltungswert zu. Regionaltypische Materialien und das Leitmotiv "Kreis", welches sich vor allem in Pflasterungen, in Skulpturen und Baumkronen wiederfindet, schaffen einen unverwechselbaren Charakter.

Der kürzlich im Alter von 96 Jahren verstorbene Neusser Landschaftsarchitekt Georg Penker entwarf u.a. die Außenanlagen des NRW-Landtagsgebäudes sowie die Freiraumanlagen der Ruhr-Universität Bochum und der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf.

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Sanierung der mittelalterlichen Stadtmauer von Zons: Pilotprojekt berücksichtigt denkmalpflegerische wie ökologische Aspekte

Bei der in diesem Frühjahr abgeschlossenen Sanierung eines Teilstücks der aus dem 14. Jahrhundert stammenden Stadtmauer von Zons wurden in einem Pilotprojekt denkmalpflegerische wie ökologische Belange gemeinsam berücksichtigt. So konnte sowohl die Standsicherheit des Bauwerks gesichert, als auch der Lebensraum bedrohter Pflanzen- und Tierarten, die sich auf der Mauerkrone und in den Spalten des Mauerwerks angesiedelt hatten, erhalten werden.

Um das Biotop der teils auf der Roten Liste bedrohter Arten geführten Moose, Flechten, Farne und Tierarten wie der Moospuppenschnecke zu bewahren, arbeiteten Denkmalpfleger*innen und Biolog*innen Hand in Hand: Das auf der Mauerkrone aufliegende Erdreich wurde für die Dauer der Restaurierungsmaßnahmen eingelagert; die möglicherweise aus der Erbauungszeit stammende Rasensodenschicht konnte so als oberste schützende Schicht erhalten werden. Zur Verfugung wurde dem Mauermörtel sogenannter Kalkspatzenmörtel beigefügt, der mit seinen Kalkeinschlüssen die Ansiedlung von Tier- und Pflanzenarten unterstützt. Einzelne Mauerabschnitte, die die beteiligten Expert*innen des LVR-Amts für Denkmalpflege im Rheinland (LVR-ADR) wie der Biologischen Station im Rhein-Kreis Neuss e.V. als historisch und ökologisch sehr bedeutsam einstuften, blieben unangetastet und wurden lediglich durch ein Stahlnetz gesichert. Dipl.-Rest. Christoph Schaab aus dem LVR-ADR sieht das gelungene Pilotprojekt als Vorbild für andere vergleichbare Stadtmauersanierungen. "Denkmalpflege und Artenschutz sind an Objekten wie diesem die geborenen Partner", so Schaab angesichts der "lebenden" Mauer, deren Bewuchs zur Zeit in vielerlei Farben blüht.

An der ökologischen Restaurierung des rund 50 m langen Teilstücks der Zonser Stadtmauer beteiligt waren die Stadt Dormagen mit ihrer Unteren Denkmalbehörde, ein Fachbetrieb für Steinrestaurierung, das LVR-ADR sowie die Biologische Station im Rhein-Kreis Neuss e.V.

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Ottonische Gerüsthölzer im Langhaus von St. Pantaleon

Die Kirche St. Pantaleon in Köln wird derzeit saniert. Nach der Fertigstellung des Westbaus im ersten Bauabschnitt sind nunmehr das Langhaus und die Ostteile eingerüstet. Das LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland setzt seine bauhistorische Untersuchung fort, ein erstes Ergebnis: Eingemauerte Gerüsthölzer in den ältesten Mauerwerksbereichen des Langhauses ergaben eine Datierung in ottonische Zeit.

Bereits bei der Untersuchung des Westbaus 2020-22 war es gelungen, zwei Holzproben durch eine Radiocarbonuntersuchung in die Jahre zwischen 892 und 990/92 zu datieren. Das Ergebnis untermauerte die Entstehung des Baus in ottonischer Zeit, was in der kunsthistorischen Forschung häufig angezweifelt wurde. Stattdessen war aufgrund stilistischer Überlegungen eine Spätdatierung ins frühe 11. Jahrhundert erwogen worden. Die 14C-Ergebnisse konnten hier Klarheit schaffen und den Westbau wieder ins 10. Jahrhundert "zurückversetzen". Der Westbau schloss an das Langhaus eines bestehenden Kirchengebäudes an. Auf diesem Vorgängerbau liegt bei der laufenden Bauuntersuchung ein besonderes Augenmerk, denn die heutige Kirche wird noch wesentlich durch diesen frühmittelalterlichen Bau geprägt. Es handelte sich um einen einschiffigen Saalbau mit seitlichen Querarmen im Osten. Die Seitenwände des Saales wurden im 12. Jahrhundert beim Anbau der Seitenschiffe im Erdgeschoss durchbrochen. Oberhalb der romanischen Arkaden ist – bautechnisch durchaus überraschend – noch ein Mauerstreifen mit dem originalen Tuffsteinmauerwerk des frühen Mittelalters erhalten.

Während der Sanierung wurde der Putz im Inneren heruntergenommen, so dass sich die Bauabfolge in einem Bauphasenplan farbig kartiert werden konnte (Abb. 1). Die erste Bauphase gehört zur ehemaligen Seitenwand des frühmittelalterlichen Saalbaus (gelb). Der erhaltene Wandstreifen zeigt fünf flache Blendbögen im Langhaus über den später eingebrochenen Arkaden, umfasst die weite Rundbogenöffnung zum östlichen Querarm und reicht bis in den Chorbereich. In der folgenden Bauphase (orange) wurden die Langhauswände um zwei Blendbögen nach Westen verlängert, der heute noch bestehende Westbau angefügt und der Chorschluss verändert. Zu den folgenden Bauphasen gehören die romanischen Pfeilerarkaden des 12. Jahrhunderts (grün) und ein in gotischen Formen ausgeführter Umbau 1619-22 (blau). Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Maßwerkfenster des Langhauses verkleinert (violett).

Karolingisch oder ottonisch?

Ebenso wie beim Westbau wurde auch beim Saalbau die zeitliche Einordnung diskutiert: Handelt es sich um den ab 964/66 errichteten und 980 geweihten ottonischen Kirchenbau, den der 965 verstorbene Kölner Erzbischof Brun in seinem Testament mit einer reichen Geldzuwendung von 300 Talern finanzierte? Oder stammt der Saalbau aus der ersten Hälfte/Mitte des 9. Jahrhunderts und hat als karolingischer Vorgängerbau bereits bestanden, als die Kirche 866 zum ersten Mal in den überlieferten Quellen erwähnt wurde? Zwischen diesen beiden Annahmen, karolingisch oder ottonisch, liegt ein zeitlicher Abstand von mehr als 100 Jahren, dennoch ist die Frage anhand baustilistischer Kriterien kaum zu entscheiden. Es ist daher ein Glücksfall, dass auch aus den ehemaligen Seitenwänden des Saalbaus Holzproben gewonnen werden konnten. Die eingemauerten Hölzer (Abb. 2) dienten ursprünglich als Auflager für die Bretter der Gerüstlagen. Nach Beendigung der Bauarbeiten wurden sie bündig abgesägt und überputzt. Die verbliebenen Reststücke in der Wand, über 1000 Jahre alt, wurden bei den jetzigen Sanierungsarbeiten wiederentdeckt.

Ergebnisse der Holzuntersuchung

Aus zwei Hölzern der Süd- und der Nordwand wurden Proben zur Radiocarbonuntersuchung an das Leibniz-Labor für Altersbestimmung und Isotopenforschung der Universität Kiel geschickt. Die Probe der Nordseite datiert zu 94,3 % in den Zeitraum von 882 bis 996, die Probe der Südseite ergab zu 95,4 % einen zweigeteilten Zeitraum von 893 bis 931 und von 942 und bis 1022. In beiden Fällen ist die relative Wahrscheinlichkeit in der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts am größten und deutet damit auf eine Entstehung in ottonischer Zeit hin. Eine karolingische Datierung in die erste Hälfte/Mitte des 9. Jahrhundert ist nach den Ergebnissen der naturwissenschaftlichen Untersuchung dagegen auszuschließen. Die beiden frühmittelalterlichen Baumaßnahmen der Kirche St. Pantaleon rücken mit diesen Datierungen in der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts wieder eng zusammen. Ab 964/66 wurde mit den finanziellen Mitteln, die Erzbischof Brun der Kirche in seinem Testament zugedacht hatte, ein 980 geweihter Saalbau errichtet. Offensichtlich nur wenige Jahre später wurde das Kirchenschiff um zwei Achsen nach Westen verlängert und der heute bestehende monumentale Westbau angesetzt. Diese Baumaßnahmen können in der Zeit nach 984 bis um 1000 angesetzt und mit Kaiserin Theophanu in Verbindung gebracht werden, die St. Pantaleon zu ihrer Grablege erwählte. Die Interpretation der Bauabfolge mit zwei eng zusammenliegenden ottonischen Bauphasen unter Brun und Theophanu in der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts wird so durch die Ergebnisse der Holzuntersuchungen gestützt.

Das ottonische Mauerwerk

Die beiden rasch aufeinanderfolgenden ottonischen Bauphasen sind in der Bauausführung sehr unterschiedlich (Abb. 3). Das ältere Tuffsteinmauerwerk der ersten ottonischen Bauphase wirkt ungeordnet. Die Fugen sind in Pietra-rasa-Technik über die Steinköpfe verstrichen. Die Blendbögen werden aus grob zugerichteten Tuffsteinen gebildet. Die westlichen Blendbögen der zweiten ottonischen Bauphase zeigen dagegen ein gleichmäßiges Mauerwerk aus exakt zugeschnittenen Tuffsteinen mit sorgfältig ausgeführten plastischen Fugen. Die Tuffsteinbögen verfügen über eine dekorative Begleitschicht aus römischen Ziegeln, wie sie auch im Westbau zu finden ist. Auch in der östlichen Chorpartie ist dieses akkurate Mauerwerk noch in einem schmalen Mauerstreifen vorhanden, was verdeutlich, dass der bestehende Saal nach Osten und nach Westen erweitert wurde. Ob darüber hinaus in den östlichen Querarmen noch ältere Mauerwerkspartien vorhanden sind, wird zu klären sein, denn drei weitere Holzproben von Gerüsthölzern aus den Querarmen befinden sich derzeit noch zur Altersbestimmung im Leibniz-Labor in Kiel. Es bleibt also weiterhin spannend.


Autorin

Foto: Dr. Ulrike Heckner

Dr. Ulrike Heckner

Abteilungsleiterin Dokumentation

ulrike.heckner@lvr.de



Drohnenflug im Dienst der Denkmalpflege: Denkmalfachamt untersucht historische Häuser am Kölner Fischmarkt

Die denkmalgeschützten Häuser am Kölner Fischmarkt 1–3 könnten ein seltenes Beispiel für Gebäude im Kölner Martinsviertel sein, die sowohl die Umgestaltung des Viertels durch die Nationalsozialisten als auch den Bombenhagel im Zweiten Weltkrieg in Teilen unbeschadet überstanden haben. Wieviel Originalsubstanz aus der Bauzeit sich bei den beiden innen verbundenen Fachwerkbauten erhalten hat und welche Teile des Fachwerkgefüges bereits im 20. Jahrhundert ersetzt wurden, untersucht nun anlässlich einer Sanierung das LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland (LVR-ADR).

Bei einem Ortstermin am 2. Juni 2023 sammelte Dipl.-Ing. Hans Meyer mittels Kamera-Drohne Bildmaterial für ein 3-D-Modell der Gebäude. "Das Structure from Motion-Verfahren per Drohne kommt im LVR-ADR immer häufiger zum Einsatz. Dadurch erzielen wir sowohl ein Gesamtmodell als auch detailscharfe Ergebnisse der kleinsten Strukturen", erläutert der Vermessungsingenieur der Abteilung Dokumentation die Vorzüge dieser innovativen Messbildtechnik, bei der am PC aus Fotopixels Punktwolken errechnet und zu einem Oberflächenmodell zusammengesetzt werden.

Parallel nahm ein Team aus Bauforschung, Holzrestaurierung und Bau- und Kunstgeschichte die Konstruktion im Inneren in Augenschein. Für einige der im ungestörten Verbund verbauten Eichenbalken in den Außenwänden vermuteten die LVR-Expert*innen, dass sie noch aus dem 16. Jahrhundert stammen oder gar mittelalterlich sind. Letzte Gewissheit über das Alter der Häuser versuchten die Wissenschaftler*innen daher durch eine dendrochronologische Untersuchung zu erhalten. Sie entnahmen aussagekräftige Holzproben, die nun zu einer Jahrringdatierung geführt haben und naturwissenschaftlich bestätigen: Die Holzbalken stammen aus dem 16. Jahrhundert.

Das als "Weinhaus Stapelhäuschen" bekannte drei- bzw. viergeschossige Bauwerk mit den markanten allseitigen Spitzgiebeln wird zur Zeit saniert. Im Zuge der Arbeiten wurde der Putz an den Fassaden abgenommen, eine seltene Gelegenheit, die Fachwerkbalken auf ihr Alter hin zu untersuchen und auf Feuchte, Holzschädlinge und Pilzbefall zu überprüfen.

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Ausverkauftes Haus in Brauweiler: Großer Andrang bei Fachtagung zum Thema "Denkmalbereiche"

Auf großes Interesse stieß die Frühjahrstagung des LVR-Amtes für Denkmalpflege im Rheinland und des Instituts für Baugeschichte und Denkmalpflege der TH Köln zum Thema Denkmalbereiche. Restlos ausgebucht bestätigte auch diese Fachtagung aus der etablierten Reihe der "Kölner Gespräche zu Architektur und Denkmalpflege" einmal mehr die Attraktivität des Programms, das passgenau auf die tägliche Arbeit der mit Denkmalpflege befassten Akteur*innen zielt. Diese schätzen neben dem Wissenstransfer besonders die Anwendbarkeit der Best practise-Beispiele sowie die Gelegenheit zum fachlichen Austausch.

Von rechtlichen Hürden und Fallstricken bis hin zu gelungenen Beispielen per Denkmalbereichssatzung geschützter Siedlungen reichte das Themenspektrum der Expert*innen-Vorträge. Beispiele aus Viersen, aus Krefeld, aus Troisdorf und Moers waren nur einige der näher vorgestellten Denkmalbereiche, über die die rund 160 Teilnehmenden aus den rheinischen Denkmalbehörden, der Architektenschaft sowie der Stadt- und Raumplanung am 22. Mai ins Gespräch kamen.

Das 33. Kölner Gespräch zu Architektur und Denkmalpflege findet am Montag, dem 13. November 2023 in der TH Köln statt. Dann dreht sich alles um "Kunst am Bau – Baubezogene Kunst".

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Neue Handlungshilfe zu Sicherheit und Gesundheitsschutz im Baudenkmal

Für die Nutzung von Baudenkmälern als Arbeitsstätte, Schule oder Kindertageseinrichtung sind durch die Betreibenden Abstimmungen zwischen den Bereichen Denkmalschutz sowie Sicherheit und Gesundheitsschutz herbeizuführen.

Baudenkmäler in ihrer Nutzung, ihrer historischen Substanz oder ihrem charakteristischen äußeren Erscheinungsbild zu verändern, bedarf in Nordrhein-Westfalen der Erlaubnis der zuständigen Denkmalbehörde. Sind diese Baudenkmäler auch Arbeitsstätten, Schulen oder Kindertageseinrichtungen, müssen sie die Schutzziele für Sicherheit und Gesundheitsschutz des Arbeitsstättenrechts, Baurechts und der Unfallverhütungsvorschriften erfüllen.

Für die Vereinbarkeit dieser Anforderungen, die aus den Belangen Denkmalschutz und Denkmalpflege einerseits, Sicherheit und Gesundheitsschutz andererseits resultieren, ist die neue Handlungshilfe "Sicherheit und Gesundheitsschutz im Baudenkmal" in der Reihe "Prävention in NRW" (PIN 86) der Unfallkasse NRW ein Leitfaden und Wegweiser. Die Handlungshilfe für Unternehmen und Betreibende von Arbeitsstätten, Schulen und Kindertageseinrichtungen, Eigentümer- und Handwerkerschaft, Fachplanende sowie Architekt*innen ist in Zusammenarbeit mit den Denkmalfachämtern der Landschaftsverbände Rheinland und Westfalen-Lippe erstellt worden und erscheint zunächst als Web-Dokument. Zentraler Bestandteil der Handlungshilfe ist ein Flussdiagramm, welches den Prozess der Gefährdungsbeurteilung und den einhergehenden Abstimmungsprozess mit den Belangen des Denkmalschutzes beschreibt. Dieses unterstützt bei der Entwicklung denkmalgerechter und sicherer Lösungen für die Nutzer*innen der jeweiligen Einrichtung und des betroffenen Denkmals.

Die Darstellung des Ineinandergreifens der öffentlich-rechtlichen Vorschriften soll allen beteiligten Personen – im Rahmen ihres Verantwortungsbereiches – die Organisation der erforderlichen Maßnahmen erleichtern. Ziel ist es, die Beteiligten für die erhöhten Anforderungen an Substanzerhalt und Gestaltung im Denkmalkontext zu sensibilisieren, um möglichst denkmalgerechte Lösungen für Sicherheit und Gesundheitsschutz in den Baudenkmälern von Nordrhein-Westfalen zu erreichen. Fotos anschaulicher Lösungsbeispiele von umgesetzten Maßnahmen ergänzen die Erläuterungen.

Die zunächst nur online erscheinende Broschüre können Sie hier kostenfrei herunterladen.



Die Messbildsammlung im Fotoarchiv

Das Fotoarchiv des LVR-ADR erhielt im Sommer 2022 vier Fotografien aus der Kölner Dombauhütte zurück. Es handelte sich um drei Messbilder des Kölner Domes und eines der Kirche St. Maria im Kapitol aus der Zeit um 1889. Wie die Aufnahmen an die Kölner Dombauhütte gelangten, ist heute nicht mehr nachvollziehbar. Vermutlich wurden sie für den dienstlichen Gebrauch in der Amtszeit von Willy Weyres dorthin gebracht.

Die glückliche Rückführung nach langen Jahren war das Resultat einer Zusammenarbeit zwischen dem Fotoarchiv des LVR-ADR und dem Kölner Dombauarchiv, initiiert durch einen Nutzer, der nach Messbildern in verschiedenen Archiven recherchierte. In Brauweiler befindet sich ein Sammlungsschatz von über 1000 Messbildern, der mit der Gründung des Amtes seit 1893 aufgebaut wurde. Die fast quadratischen Fotoabzüge sind auf 44 x 46 cm grüner Pappe aufgezogen, beschriftet und mit goldenem Rand verziert. Den Berichten über die Tätigkeit der Provinzialkommission für die Denkmalpflege in der Rheinprovinz – dem Vorläufer des heutigen Jahrbuchs der Rheinischen Denkmalpflege – ist zu entnehmen, dass bis 1896 insgesamt 4000 Mark für den Erwerb eines ersten Konvoluts an Messbildern ausgegeben wurde. Bis 1934/35 folgten zahlreiche weitere Erwerbungen für das Denkmälerarchiv des damaligen Provinzialkonservators der Rheinlande mit Dienstsitz in Bonn, die später in die Bestände des LVR-ADR übergingen. Etwa 400 Aufnahmen betreffen Kölner Denkmäler, neben dem Dom sind auch die romanischen Kirchen, das Rathaus oder der Gürzenich vertreten. Der Bestand der historischen Messbilder im LVR-ADR wurde in den letzten Jahren systematisch digitalisiert, in der Fotodatenbank MediaFiler erfasst und inhaltlich erschlossen. Bei den Eintragungen der über 150 Innen- und Außenaufnahmen des Kölner Doms unterstützte uns das Dombauarchiv. Das detailreiche Wissen des dortigen Teams spielte für die inhaltliche Beschriftung einzelner Standortinformationen zum Kölner Dom eine wichtige Rolle. Dabei führte die genaue Betrachtung der Messbilder unter anderem zur Neuentdeckung von Motiven der Glasmalereien an den Fenstern der Nordseite des Doms. Die von dem Kölner Maler Michael Welter (1808-1898) entworfene Verglasung war im zweiten Weltkrieg zerstört worden. Die detailgenauen fotografischen Aufnahmen können nunmehr von den Glasrestauratoren der Dombauhütte für ihre Arbeit genutzt werden.

Die Messbildsammlung unseres Fotoarchivs geriet schon 2021 in den Fokus der Forschung, als sich der 100. Todestag von Albrecht Meydenbauer, einem der Erfinder der Messbildtechnik bzw. Photogrammetrie, jährte und zahlreiche Anfragen im LVR-ADR eingingen. Meydenbauer, 1834 in Tholey geboren, studierte an der Bauakademie in Berlin und wurde 1858 Regierungsbauführer. In den Anfangsjahren seiner Berufstätigkeit war er immer wieder mit der Vermessung von Gebäuden befasst. Dabei stellte er erste Überlegungen an, ob es nicht auch möglich sei, mit Hilfe der Fotografie maßstabsgerechte Pläne zu erstellen und nicht wie bisher durch mitunter beschwerliche Vermessung am Objekt. Es gelang ihm schließlich, einen geeigneten Fotoapparat, eine sogenannte Messkammer, für die Aufnahme der Objekte zu entwickeln und anfertigen zu lassen. Er erarbeitete auch eine mathematische Auswertung der Aufnahmen, deren Ziel schließlich eine maßstäbliche Zeichnung des Objektes sein sollte. Die Messungen und Zeichnungen konnten nach der fotografischen Aufnahme der Objekte bequem im Büro ausgeführt werden. Unabdingbar für die Auswertung war die genaue Kenntnis des eingemessenen Aufnahmestandpunktes vor Ort. Ohne diese Angabe war eine Auswertung der Fotografien nicht möglich. Nach stetiger Verbesserung der Methode und Werbung dafür bei der Preußischen Verwaltung wurde Meydenbauer erster Leiter der 1885 gegründeten Königlich Preußischen Messbildanstalt in Berlin. Deren hauptsächliche Aufgabe war es, Aufnahmen von historischen Bauten in Preußen und seinen Provinzen zu erstellen, um gefährdete Bausubstanz zu dokumentieren und Pläne für eine möglicherweise anstehende Instandsetzung zu erstellen. Bis zum Ende seiner Amtszeit im Jahre 1909 entstanden Tausende Aufnahmen. 1921 ging die Königlich Preußische Messbildanstalt in die Staatliche Bildstelle Berlin über und wurde vom neu gegründeten Deutschen Kunstverlag geschäftlich vertreten. Zu diesem Zeitpunkt war der Bestand auf über 19.000 Aufnahmen von mehr als 2600 Objekten aus 350 Orten in 15 Ländern angewachsen. Im November 1921 starb Albrecht Meydenbauer, der seinen Lebensabend im Rheinland verbrachte, in Bad Godesberg. Seine letzte Ruhestätte befindet sich auf dem Rüngsdorfer Friedhof. Heute befindet sich das Messbildarchiv im Brandenburgischen Landesamt für Denkmalpflege.

Die Verfahren der Messbildaufnahme und der photogrammetrischen Vermessung wurden kontinuierlich technisch weiterentwickelt und wirken bis heute fort: Aktuell nutzt die Abteilung Bauforschung im LVR-ADR die Structure from Motion (SfM) Methode zur berührungslosen Vermessung von Objekten. Dabei werden überlappende Fotoaufnahmen des Objektes mit einer Software zusammengesetzt und es können 3D- Darstellungen erzeugt werden. Darüber hinaus stehen die Digitalisate der hochpräzisen Messbilder in der Fotodatenbank MediaFiler allen Mitarbeiter*innen des Amtes für ihre tägliche Arbeit zur Verfügung und können bei externen Anfragen unkompliziert bereitgestellt werden.


Autorinnen

Porträtfoto Stefanie Bertz

Stefanie Bertz M.A.

Mitarbeiterin im Foto-/Planarchiv

stefanie.bertz@lvr.de


Porträtfoto Mahtab Salmannia

Mahtab Salmannia M.A.

Mitarbeiterin im Foto-/Planarchiv

mahtab.salmannia@lvr.de



Zwei überlebensgroße Skulpturen von Meister Tilman aus Kloster Steinfeld im Restaurierungsatelier

Derzeit werden die zwei um 1500 entstandenen, beeindruckenden Eichenholzfiguren des Hl. Potentinus und des Hl. Hermann Joseph aus Kloster Steinfeld im Restaurierungsatelier Renn in Euskirchen-Euenheim konservatorisch und restauratorisch bearbeitet.

Basierend auf einer eingehenden Untersuchung der Figur des Kirchenpatrons Potentinus in der Restaurierungswerkstatt des LVR-ADR schon vor zehn Jahren ist es der Kirchengemeinde nun gelungen, die umfangreichen und dringend notwendigen Schritte zur Erhaltung der Figuren zu beauftragen. Finanziell unterstützt durch die Deutsche Stiftung Denkmalschutz erfolgt derzeit die sehr komplizierte Festigung der Farbfassung des Potentinus, die sich in großen Flächen vom Träger aus Eichenholz gelöst hat. Grund sind neben Schwankungen des Raumklimas in erster Linie fasstechnische Mängel beim Auftrag der heutigen Sichtfassung, die um 1930 entstanden sein dürfte. Der Restauratorin Sarah Renn M.A. und ihren Kolleginnen ist es nun gelungen, eine Methode zur Wiederbefestigung der mehrere Millimeter abstehenden Fassungsschichten zu entwickeln. Die Schäden an der Figur des Hermann Joseph sind glücklicherweise geringer, allerdings angesichts der Größe der Figur auch nicht zu unterschätzen.

Die Restaurierungswerkstatt für organische Materialien des LVR-ADR begleitet die Maßnahmen fachlich, ebenso wie die Referentin für Kunst und Denkmalpflege des Bistums Aachen, Dr. Anna Wellding.


Autor

Dipl.-Rest. Marc Peez

Leiter der Restaurierungswerkstatt für organische Materialien

marc.peez@lvr.de



Drohnen im Dienst der Denkmalpflege: Befliegung in Nideggen

Im Februar 2023 startet das LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland (LVR-ADR) eine Dokumentation der Stadtbefestigung von Nideggen. Der historische Stadtkern in der Eifel soll digital erfasst werden. Die Vermessungskampagne dient der exakten Erfassung von Schäden in Vorbereitung der bis 2025 anstehenden Mauersanierung. Die Bauforscher*innen des Denkmalfachamts Dr. Kristin Dohmen und Dipl.-Ing. Hans Meyer setzen hierfür eine Kameradrohne ein. Aus den Fotos der Befliegung entsteht anschließend mit einer speziellen Software ein detailgetreues 3D-Modell der Stadtbefestigung.

Das zum Einsatz kommende Vermessungsverfahren Structure from Motion (SfM) basiert auf einer automatisierten Mehrbildphotogrammetrie, bei der in den von einer Drohne aufgenommenen Fotos identische Pixel zu einer Punktwolke und einem Oberflächenmodell zusammengesetzt werden. Die Methode ist besonders effizient, da auf die Anbringung einer Vielzahl von Messpunkten am Bauwerk selbst verzichtet werden kann. Das von der Abteilung Dokumentation des LVR-ADR bereits mehrfach erfolgreich eingesetzte SfM-Verfahren stärkt zugleich die Vermittlungsarbeit: Das Modell eines der historischen Nideggener Stadttore veranschaulicht das Potenzial dieser Technik.


Die Stadt Nideggen erhält im Rahmen des Förderprojektes "Denkmallandschaft Nideggens Tore" durch die Bundesförderung Nationale Projekte des Städtebaus eine Zuwendung in Höhe von insgesamt rund 3,8 Millionen Euro, mit der verschiedene Maßnahmen rund um die Altstadt der Stadt Nideggen umgesetzt werden sollen. So soll u.a. die heute noch fast in ganzer Länge erhaltene Stadtmauer aus dem 14. Jahrhundert künftig besser erlebbar gemacht und im Rahmen eines Lehrpfads, dem sogenannten Entdeckerpfad, erschlossen werden. Die Idee geht auf ein Kooperationsprojekt von LVR-ADR und Stadt Nideggen zurück, die im Europäischen Kulturerbejahr 2018 mit "Denkmal Europa" ein preisgekröntes Denkmal-Vermittlungsprojekt für "junge Entdecker" ins Leben riefen.



Neue Erkenntnisse zum Nikolauskloster in Jüchen

Die Anfänge des Nikolausklosters reichen bis ins späte 14. Jahrhundert zurück, als Johann von Reifferscheidt den Eremiten Heinrich von der Blume mit der Gründung eines Klosters beauftragte. Der Ordensgemeinschaft der Franziskaner-Tertiarier gelang es in den folgenden Jahrhunderten durch Schenkungen und kluge Expansionspolitik, den Grundbesitz kontinuierlich zu vergrößern. Die Klostergebäude wurden im Wesentlichen zwischen 1627 und 1730 neu gebaut und sind in ihrem baulichen Bestand bis in die Gegenwart weitgehend unverändert überliefert, da das Nikolauskloster sowohl die Säkularisation als auch den Zweiten Weltkrieg unbeschadet überstanden hat. Das Kloster wird seit 1905 von der Ordensgemeinschaft der Oblaten der Makellosen Jungfrau Maria genutzt und ist heute ein geistliches Zentrum mit einem vielfältigen kulturellen Angebot.

Wie viel bauzeitliche Substanz in den Klostergebäuden, dem mit dem Kloster historisch-funktional aufs Engste verbundenen Wirtschaftshof und in den zugehörigen Außenanlagen und Freiflächen erhalten ist, wurde im Rahmen einer seitens der Unteren Denkmalbehörde der Stadt Jüchen angestoßenen aktualisierenden Fortschreibung des Eintragungstextes aus dem Jahr 1985 deutlich. Nadja Fröhlich M.A., zuständige Inventarisatorin beim LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland, befasste sich mit der Baugeschichte, den baulichen Anlagen des Klosters und des Wirtschaftshofes, der Innenausstattung und der Denkmalbedeutung. Dabei konnte sie dank Unterstützung von Dr. Manuel Hagemann aus dem LVR-Archivberatungs- und Fortbildungszentrum auf Unterlagen aus dem Archiv von Schloss Dyck zurückgreifen, die in den Vereinigten Adelsarchiven im Rheinland auf Schloss Ehreshoven archiviert sind und die insbesondere hinsichtlich der Entwicklungen seit der Säkularisation wertvolle Informationen enthielten. Dr. Kerstin Walter untersuchte seitens der Garteninventarisation des LVR-ADR unter anderem die in Teilen verschlammte Grabenanlage, welche vor 1770 angelegt wurde und sowohl als natürliche Einfriedung als auch der Fischzucht diente, sowie die besonderen gestalterischen Verbindungen zum Schlosspark Dyck und die Einbettung der Klosteranlage in die historische Kulturlandschaft.

Konkreter Anlass für diese intensive denkmalfachliche Beschäftigung mit dem Nikolauskloster ist das bemerkenswerte Engagement des Fördervereins Nikolauskloster e.V., der die für die Instandsetzung und Instandhaltung des Klosters verpflichteten Oblaten tatkräftig unterstützt, um die zwingend notwendigen Sanierungsmaßnahmen (Dachsanierung, Natursteinsanierung, Restaurierungsmaßnahmen an barocken Ausstattungselementen) finanzieren zu können. Hierfür sind bereits Förderanträge bei Fördermittelgebern gestellt worden bzw. werden beantragt. Das Gutachten des LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland, welches die besondere Bedeutung der Gesamtanlage herausstellt, ist mit großem Interesse vom Förderverein aufgenommen worden, da er sich durch die denkmalfachliche Einschätzung in seinem Einsatz für das Nikolauskloster bestätigt fühlt. Das wurde im Rahmen einer seitens des Fördervereins organisierten Pressekonferenz am 20.01.2023 im Petrussaal des Nikolausklosters deutlich, in deren Rahmen Pater Andreas Petith OMI das Kloster und seine vielfältigen Aufgaben vorstellte, Bürgermeister Harald Zillikens die Bedeutung des Nikolausklosters für die Stadt Jüchen betonte, Nadja Fröhlich das Gutachten präsentierte und Gerhard Odenkirchen, Vorsitzender des Fördervereins, die dringend notwendigen Sanierungsmaßnahmen vorstellte.

Weitere Informationen zum Nikolauskloster finden Sie hier.
Am 22. August 2023 wird Nadja Fröhlich in der Vortragsreihe „Geschichte vor Ort“ des Archivs im Rhein-Kreis Neuss einen Vortrag über das Nikolauskloster halten: Informationen zu dieser Veranstaltung finden Sie hier.


Autorin

Nadja Fröhlich M.A.

Referentin Inventarisation

nadja.froehlich@lvr.de



Denkmalfachamt und Bistum Essen trafen sich zum fachlichen Austausch

Am 5. Dezember 2022 trafen sich der Diözesanbaumeister des Bistums Essen, Dipl.-Ing. Thomas Tebruck, und seine Mitarbeitenden mit Vertreter*innen des LVR-Amtes für Denkmalpflege im Rheinland in der ehemaligen Abtei Brauweiler zum Austausch in Sachen Denkmalschutz.

Auf dem Programm stand u.a. der aktuelle Sachstand zur Unterschutzstellung einzelner Kirchenbauten wie in Essen-Haarzopf oder Mülheim-Saarn. Breiten Raum nahm der Informationsaustausch über laufende Sanierungsbaustellen in den Gemeinden des Bistums ein, wobei auch Umnutzungen von Kirchengebäuden zur Sprache kamen. Konkrete Projektverläufe, aber auch der Umgang mit der Kirchenausstattung von Bauten ohne liturgische Verwendung standen hier im Mittelpunkt.

Der fachliche Austausch mit Mitarbeiter*innen aller Abteilungen und Kompetenzfelder des LVR-ADR - von den Inventarisator*innen über die Gebietsreferent*innen bis zu den Restaurator*innen - dient dem Ziel einer vertrauensvollen Zusammenarbeit und findet auf Einladung des Denkmalfachamtes in regelmäßigen Abständen mit den Bistümern und der Evangelischen Landeskirche im Rheinland statt.



Bad Münstereifel: Neue Erkenntnisse dank dendrochronologischer Untersuchungen

Das von der Erft durchflossene Bad Münstereifel geht auf eine Klostergründung im Jahr 830 zurück und zeichnet sich bis heute durch seinen geschlossen erhaltenen, per Denkmalbereichssatzung geschützten historischen Stadtkern aus. Nachdem das Kloster 898 Markt-, Münz- und Zollrecht erhalten hatte, entstand um das Kloster eine erste Siedlung. Der Ausbau der Stadt begann im 13. Jahrhundert, um 1300 ließ der Graf von Jülich Burg und Stadtbefestigung errichten, 1356 wurde Münstereifel Sitz eines Gerichts und der städtischen Selbstverwaltung. In der Folge blühte das Handwerk auf, es entstanden Gerbereien, Wollwebereien und Brauereien. Eine Besonderheit im Rheinland ist hier die vollständig erhaltene Stadtmauer und der hohe Bestand an spätmittelalterlicher Bausubstanz – letztere ist bislang jedoch nur punktuell untersucht und erforscht.

Wie viele Ortschaften im Rheinland wurde Mitte Juli 2021 auch Bad Münstereifel von der Hochwasserflut stark getroffen. Die gesamte Stadt wurde in weiten Bereichen bis in Höhe des ersten Obergeschosses unter Wasser gesetzt. Von den rund 360 Denkmalen sind ca. 80 Prozent von der Flut betroffen. Im Zuge der dann folgenden Trockenlegungen und Vorarbeiten für die Instandsetzung traten teils unerwartete Befunde zu Tage. Für die Inventarisation, Erforschung und Dokumentation ergaben sich eine Fülle neuer Aspekte, die zu neuen Erkenntnissen führen und auch neue Bewertungen des Bestands zur Folge haben werden. Bei den während der Sanierung freigelegten Hauskonstruktionen bot sich nun die einzigartige Möglichkeit bauhistorischer und dendrochronologischer Untersuchungen, die für das Fachgebiet der Haus- und Gefügeforschung in Bad Münstereifel einen enormen Erkenntnisgewinn bringen können.

Da die notwendigen Untersuchungen vom LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland (LVR-ADR) alleine nicht zu leisten sind, war es ein großer Glücksfall, dass zur Unterstützung der Nachinventarisation in Bad Münstereifel der Leiter des dendrochonologischen Labors der Otto-Friedrich-Universität Bamberg, Dr.-Ing. Thomas Eißing, gewonnen werden konnte. Er ist zudem ein ausgewiesener Gefüge- und Dachwerkforscher und zugleich Vorsitzender des Arbeitskreises für Hausforschung. In Zusammenarbeit mit der Stadt fand Anfang Mai vor Ort eine gemeinsame Projektwoche statt, wo die ersten zehn Bauten dendrochronologisch und bauforscherisch untersucht werden konnten.

Schon bei dieser – auf die gesamte Stadt gesehene – geringen Anzahl der untersuchten Bauten konnten für einen größeren zusammenhängenden Bestand neben den jahrgenauen Datierungen wichtige Erkenntnisse zur ältesten Bebauung gewonnen werden. Unerwartet war das Ergebnis, dass die bislang untersuchte und jetzt dendrochronologisch datierte Profanbebauung im Marktbereich aus den Jahren 1409, 1421, 1462 und 1466 stammt. Sie ist damit nicht nur wesentlich älter als bisher angenommen, sondern die drei letzteren zählen sogar zu den bislang bekannten ältesten Fachwerkbauten im Rheinland.

Auch die ersten Erkenntnisse zu den Gefügen und den Konstruktionsweisen der Fachwerke waren so nicht erwartet worden. So treten schon im 15. Jahrhundert Fachwerke mit hallenartigem Erdgeschoss und vorkragendem Obergeschoss ebenso auf, wie vergleichsweise niedrige Erdgeschosse mit stöckig vorkragenden, zwei Nutzebenen umfassenden Obergeschossen nebeneinander. Mit der Marktstraße 1 von 1527/28 (d) ist der bisher älteste in drei Stöcken übereinander gestapelte Stockwerkbau in Bad Münstereifel datiert worden. Bei den Dachgerüsten konnten frühe abgesprengte oder liegende Stuhlkonstruktionen niederländisch-flämischer Bauweise als Krummstreben- oder Bockgerüst schon im frühen 15. Jahrhundert nachgewiesen werden. Das Bockgerüst von Marktstraße 5 datiert auf 1409 (d) und ist damit das zurzeit älteste bekannte Bockgerüst dieser Konstruktionsart im Rheinland.

Die überwiegende Anzahl der Fachwerkgerüste in Bad Münstereifel sind giebelständig zur Straße orientiert. Traufständige Gebäude mit einer entsprechend traufständigen Erschließung treten dagegen zahlenmäßig deutlich zurück. Ein Beispiel dafür ist das auf 1650/51 datierte Fachwerkgerüst Heisterbacher Straße 3. Das Gebäude wurde im Inneren mehrfach umgebaut und auch eine Flurwand im Erdgeschoss versetzt. Das Dach wurde 1844/45 instand gesetzt, wobei die alte Bockkonstruktion bis auf den Giebel abgetragen und schadhafte Hölzer wie ein Hochrähm ersetzt wurden. Anschließend wurde das alte Bockgerüst mit den Sparren wieder aufgesetzt, wobei die alte Konstruktion jedoch nicht mehr vollständig wiederhergestellt wurde.

Holzbalkenkeller sind sogar in direkter Lage an der Erft nachgewiesen. Die Holzbalkenkeller von Delle 1 (1462 +/-5 d) und von Marktstraße 1 (1527/28 d) stammen noch aus der Errichtungszeit der darüber stehenden Fachwerkgebäude. Dass Holzbalkenkeller in Bad Münstereifel doch recht häufig auftreten, ist aus heutiger Perspektive durchaus überraschend, weil diese auch schon bei historischen Hochwasserereignissen überschwemmt wurden. Aufgrund einer Durchfeuchtung des äußeren Splintbereichs der Eichen ist ein Pilzbefall insbesondere im Auflagerbereich in den Steinwänden ein häufig zu beobachtender Schaden. Dennoch wurden noch bis in das 18. Jahrhundert ältere Holzbalkenkeller durch additiv eingestellte Holzgerüste ertüchtigt, Kellerbalken ausgetauscht bzw. zusätzlich eingebracht. Beispiele dafür sind die Erweiterung des Holzbalkenkellers Marktstraße 1 von 1672/73 (d) oder die in zwei Sanierungsphasen eingebrachten Ertüchtigungsbalken Delle 3 von 1607 +/-5 (d) und 1678 +/-5 (d). Zugleich treten aber auch steingewölbte Keller auf. Eine grundlegende Erfassung der Keller von Bad Münstereifel wird durch ein zeitgleiches Projekt des LVR-Amtes für Bodendenkmalpflege durchgeführt, das auf die hier gewonnenen ersten Ergebnisse zu den Holzbalkenkellern zurückgreifen kann.

Es wurden darüber hinaus gefüge- und konstruktionsgeschichtliche Erkenntnisse zur Bearbeitung und Herstellung der Holzbalken und dem Zustand der Eichenwälder um Bad Münstereifel gewonnen. Schon im 15. Jahrhundert wurden Bauhölzer durch Aufsägen von Stämmen von ca. 60–80 cm Durchmesser als Halb-und Viertelhölzer und für die Sparren sogar als Achtelhölzer hergestellt und so die Ressource Holz optimal ausgenutzt. Zugleich konnten von den 81 entnommen Eichenproben 80 datiert werden. Dies ist ein außergewöhnlich hoher Datierungserfolg, der durch die systematische Reihenuntersuchung und gegenseitige Absicherung der dendrochronologisch ausgewerteten Proben untereinander ebenso begründet ist, wie durch den Umstand, dass hier wohl nur lokal gewachsenes Eichenholz guter bis sehr guter Qualität verbaut wurde.

Nicht zuletzt waren die vielen Gespräche mit den äußerst engagierten Hauseigentümer*innen über die Besonderheiten ihrer Fachwerkgebäude ein wesentlicher Aspekt der Kampagne. Die unmittelbare Vermittlung von Forschungsergebnissen kann helfen, das Interesse der Eigentümer*innen an "ihrer" historischen Bausubstanz nicht nur zu fördern, sondern auch das Verständnis für denkmalpflegerische Maßnahmen nachhaltig zu erhöhen. Daher wurden alle denrochronologischen und gefügekundlichen Ergebnisse in Form von Einzelgutachten ausformuliert und den Eigentümer*innen über das LVR-ADR unter Einbeziehung der städtischen Unteren Denkmalbehörde bis Anfang Juli 2022 übermittelt.


Co-Autorin

Ulrike Schwarz M.A.

Inventarisatorin

ulrike.schwarz@lvr.de

Der Beitrag stammt aus der Feder von Dr.-Ing. Thomas Eißing und Ulrike Schwarz M.A.



Düsseldorfer Brücken: Schutz für die ganze Familie

Das LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland (LVR-ADR) hat die Eintragung von zwei weiteren Düsseldorfer Schrägseilbrücken in die Denkmalliste beantragt. Es handelt sich um die Oberkasseler sowie die Rheinkniebrücke. Gemeinsam mit der bereits geschützten Theodor-Heuss-Brücke wird damit die Bedeutung der gesamten "Düsseldorfer Brückenfamilie" gewürdigt.

Technikgeschichtlich weltweit vorbildhaft

Die Theodor-Heuss-Brücke überspannt seit den 1950er Jahren in Düsseldorf den Rhein, Ende der 1960er Jahre folgte die Rheinkniebrücke, Ende der 1970er Jahre der Neubau der Oberkasseler Brücke. Unter Federführung des damaligen Düsseldorfer Beigeordneten für Stadtplanung Friedrich Tamms entstanden die hochmodernen Brücken in enger konstruktiver und ästhetischer Abhängigkeit. Schon damals war von der "Düsseldorfer Brückenfamilie" die Rede. Unterschiedliche städtebauliche Bedingungen, die Strömungsverhältnisse des Rheins und technische Neuerungen führten allerdings zu Variationen im Detail. In Düsseldorf entstand eine Art Mustersammlung für die besonders filigranen Schrägseilbrücken modernster Bauart, die es in dieser Größe bis dato nicht gegeben hatte. Dies wurde international wahrgenommen, die Düsseldorfer Brücken waren vorbildgebend für noch weit größere Brückenbauprojekte weltweit.

Zeugnis der jungen Bundesrepublik

Neben der technikgeschichtlichen Bedeutung der Brücken sieht das LVR-ADR weitere Gründe für eine Eintragung in die Denkmalliste. Friedrich Tamms hat renommierte Ingenieure wie Fritz Leonhardt in das Projekt eingebunden, die er seit seiner Tätigkeit für die Reichsautobahn während der Zeit des Nationalsozialismus kannte. Die Brückenplanung steht so für die Kontinuität von NS-Karrieren in der jungen Bundesrepublik. In ihrer Gesamtheit bezeugen die Brücken darüber hinaus den weitgehenden Umbau Düsseldorfs zur autogerechten Verwaltungsmetropole in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg. Nicht zuletzt hat die Brückenfamilie mit ihren Schrägseilen und Pylonen von über 100 Metern Höhe bis heute stadtbildprägende Wirkung.

Denkmalantrag ist gestellt

Die Eintragung der Oberkasseler sowie der Rheinkniebrücke in die Denkmalliste ist bei der Bezirksregierung Düsseldorf beantragt. Das Denkmalschutzgesetz Nordrhein-Westfalen sieht ein zweistufiges Verfahren vor, nach dem die Eintragung eines Denkmals nach rein fachlichen Kriterien zu erfolgen hat. Fragen der Erhaltung werden auf dieser Grundlage in der zweiten Stufe behandelt.


Autor

Porträt Doktor Ralf Liptau

Dr. Ralf Liptau

Industriedenkmalpfleger

ralf.liptau@lvr.de



Rheinberger Stadthaus soll Denkmal werden

Das LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland (LVR-ADR) hat das Stadthaus in Rheinberg von Gottfried Böhm positiv auf seinen Denkmalwert hin untersucht. Der Antrag zur Unterschutzstellung des faszinierenden Baudenkmals ist bei der Kommune gestellt.

Als die Stadt Rheinberg 1975 auf Gottfried Böhm zukam und ihn zu Entwürfen für einen "Kombinationsbau" aus Rathaus und Stadthalle aufforderte, kehrte ein über zehn Jahre altes Projekt unter neuen Vorzeichen auf den Schreibtisch des renommierten Architekten zurück. Böhm hatte bereits 1964 Pläne für einen Rathauserweiterungsbau eingereicht – ein Projekt, das sich aber in langwierigen politischen Diskussionen um Standort und Finanzierung zerschlagen hatte. 1975 jedoch standen die Sterne günstig. Aus der kontrovers diskutierten Erweiterung des historischen Rathauses aus dem 15. Jahrhundert, von der kritischen Öffentlichkeit auch als "Lustschlösschen" bezeichnet, und einem ebenfalls umstrittenen Stadthallenprojekt im Stadtpark hatte sich die Idee zu einem Bau entwickelt, der beiden Funktionen dienen und zudem einen Beitrag zur innerstädtischen Neuordnung leisten sollte. Böhm überzeugte den Stadtrat mit seinem Vorentwurf, der sich dann, teilweise während des Baus, in mehreren Schritten weiterentwickelte, bis er seine endgültige Form fand. Auch die Namensgebung war ein Prozess. 1981 konnte das nun "Stadthaus" getaufte Projekt seiner Bestimmung als Rathaus und Stadthalle übergeben werden und eroberte sich schnell einen festen Platz im Herzen der Menschen der Stadt. Spürbar ist bis heute der Stolz der Bürgerschaft auf ihr Stadthaus, das seine Doppelfunktion heute wie zur Erbauungszeit vor fast einem halben Jahrhundert erfüllt und seitdem unvermindert Gäste von außerhalb anzieht.

100. Geburtstag, 40. Jubiläum und eine Prüfung

Der 100. Geburtstag Gottfried Böhms, den der weltbekannte und vielfach ausgezeichnete Architekt 2020 beging, war für das LVR-ADR ein willkommener Anlass, sich verstärkt dem Schaffen Böhms zu widmen. Das Stadthaus Rheinberg, für das 2021 das 40. Einweihungsjubiläum bevorstand, erwies sich als vielversprechender Kandidat für die Prüfung seines Denkmalwerts. Die fachliche Aufarbeitung traf sich gut mit dem Vorschlag einer der Rheinberger Ratsfraktionen, die 2020 ebenfalls den Vorschlag zur Unterschutzstellung aufgebracht hatte.

Im Rahmen seiner Prüfung hat das Denkmalpflegefachamt des LVR-ADR das Gebäude gründlich unter die Lupe genommen, gemeinsam mit der Unteren Denkmalbehörde der Stadt Rheinberg die Bauakten ausgewertet und Literatur durchforstet. Das Stadtarchiv Rheinberg steuerte seine umfangreiche Foto- und Zeitungsausschnitt-Sammlung bei. Im Ergebnis stand Ende 2021 fest: Das Stadthaus erfüllt die Kriterien für ein Baudenkmal. Das ausführliche Gutachten des Denkmalfachamtes wurde mit einem Antrag auf Unterschutzstellung Mitte August 2022 an die Stadt übermittelt, am 6. September konnte das Ergebnis der Recherche dem Stadtentwicklungsausschuss vorgestellt werden.


"Komm doch mit…": ins Stadthaus!

Der Werbespruch des bekannten Rheinberger Bitterlikör-Herstellers muss nur ein wenig umgedeutet werden, schon verdeutlicht er die einladende Geste von Böhms Architektur. Eine fünfteilige Giebelfront öffnet sich in ihrer Mitte zur Stadt mit einer offenen Vorhalle. Da die Fußgängerzone von Großem Markt und Kirchplatz quasi schwellenlos ins Gebäudeinnere übergeht, stellt der Eingang keine Barriere dar, markiert eigentlich nur den Übergang. Diese gestalterische Offenheit zeichnet den ganzen Bau aus, bei dem sich um den zentralen Saal die drei Büroflügel wie ein Rahmen legen, erschlossen von einem geradezu prunkvollen Treppenhaus. Dabei brauchen die Mitarbeitenden der Stadtverwaltung keine Sorge zu haben, dass sich neugierige Kulturgäste in die Büros verirren, denn die Böhm‘sche Raumchoreographie lenkt geschickt auch Ortsfremde an den jeweils richtigen Ort.

Kind seiner Zeit

Das Stadthaus Rheinberg ist ein zeittypisches Beispiel der damals populären baulichen Zusammenführung verschiedener Funktionsräume. Gerade durch seine flexible Nutzbarkeit leistete das Gebäude im Zusammenhang mit der Gebietsreform, bei der 1975 die bislang unabhängigen Gemeinden Borth, Budberg und Orsoy zu Rheinberg kamen, einen wichtigen Beitrag der Integration. Denn die neue Stadt bekam ein gemeinsames neues Stadthaus. Für die Innenstadt von Rheinberg war das Stadthaus der wichtigste städtebauliche Impuls der späten Moderne. Ein bis dahin unbefriedigend geordneter Bereich erfuhr eine große Aufwertung, wobei der Neubau sowohl in Maßstab und Materialität auf die historische Umgebung – immerhin 1988 als Denkmalbereich ausgewiesen – sensibel Bezug nahm. Dadurch verdeutlicht es damals wegweisende Ansätze der baulichen Eingliederung und dokumentiert, dass in den 1970er Jahren die Zeit dominanter Solitäre zu Ende ging, während sich das neue Ideal eines reparierenden Bauens durchsetzte. Nicht zuletzt ist das Gebäude als Gesamtkunstwerk anzusehen, das mit einer lustvollen Fülle an Kandelabern im Treppenhaus und illusionistischer Textilmalerei im Saal überrascht.


Autor

Porträtfoto Doktor Martin Bredenbeck

Dr. Martin Bredenbeck

Referent Inventarisation

martin.bredenbeck@lvr.de



Instagram-Kanal denkmal_europa erhält den DNK-Medienpreis 2022

Der Instagramkanal denkmal_europa erhält den Deutschen Preis für Denkmalschutz in der Kategorie Medien, wie das Präsidium des Deutschen Nationalkomitees für Denkmalschutz (DNK) am 22.08.2022 bekannt gegeben hat. Der Social Media-Kanal wird von der Arbeitsgruppe Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Vereinigung der Denkmalfachämter in den Ländern (VDL) realisiert, in der auch das LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland vertreten ist.

Das DNK würdigt damit den Einsatz der amtlichen Denkmalpfleger*innen, die den Instagramkanal neben ihrer Haupttätigkeit betreiben. "Dabei gelingt es ihnen in knappen Formulierungen ihr komplexes Fachwissen populär aufzubereiten, sowie durch die Wahl der Darstellungsformen ihre Follower zur Interaktion und Nachnutzung dieses Wissens zu animieren. Mit diesem zukunftsweisenden Engagement erreichen sie vor allem junge Leute zwischen 20 und 35 Jahren, die das Konsumieren von Bildern und schnellen Informationen in kleinen Einheiten gewöhnt sind", so die Bekanntmachung des DNK. Die Preisverleihung findet am 7. November in Hamburg statt.


Denkmalpflege kann auch Social Media

Die feierliche Verleihung des DNK-Medienpreises an die VDL-AG Presse- und Öffentlichkeitsarbeit erfolgte am 7.11.2022 in Hamburg.

Der Deutsche Preis für Denkmalschutz ist die höchste Auszeichnung auf diesem Gebiet in der Bundesrepublik Deutschland. Er wird in vier Kategorien an Persönlichkeiten und Personengruppen verliehen, die sich in besonderem Maße um die Erhaltung und Vermittlung des baulichen und archäologischen Erbes verdient gemacht haben. Der Medienpreis ist mit 3.000 Euro dotiert.


Den Wortlaut der Würdigung des Deutschen Nationalkomitees für Denkmalschutz finden Sie hier:

Denkmal unter´m Storch

Die ehemalige Kinderschuhfabrik Fritz Pannier in Kleve ist vom LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland (LVR-ADR) positiv auf ihren Denkmalwert hin untersucht worden, der Antrag zur Eintragung des Industriedenkmals ist inzwischen bei der Kommune gestellt.

In Kleve steckte das moderne Körper- und Gesundheitsbewusstsein zu Beginn des 20. Jahrhundert in den sprichwörtlichen Kinderschuhen: Seit 1895, dann aber vor allem in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg ist am Niederrhein der moderne Kinder- und Jugendschuh entwickelt und in den Folgejahren unter dem Markennamen Storch als Vorbild in die ganze Welt getragen worden. Die ehemalige Kinderschuhfabrik Fritz Pannier an der Acker-/ Ecke Brahmsstraße legt hierüber noch heute Zeugnis ab und soll als Denkmal in die Denkmalliste der Stadt Kleve eingetragen werden.

"Fußgesunde" Kinderschuhe – eine Weltneuheit aus Kleve

Was uns heute ganz selbstverständlich erscheint, nämlich flexible Kinderschuhe mit asymmetrischer Sohle und vor allem mit Unterscheidung in rechten und linken Schuh, ist eine überraschend junge Entwicklung aus der Zeit der frühen Moderne: Bis zur Wende zum 20. Jahrhundert waren Kinder- und Jugendschuhe im Wesentlichen die verkleinerte Version von Erwachsenenschuhen, mit starrer symmetrischer Sohle und festem Aufbau. Darüber hinaus gab es bei den so genannten zweiballigen Schuhen keine Differenzierung von rechtem und linkem Schuh. Und: Erwachsenen- wie Kinderschuhe wurden bis zur Wende vom 19. ins 20. Jahrhundert vornehmlich noch in lokalen Handwerksbetrieben individuell gefertigt.


Der aus Berlin kommende Fritz Pannier hielt das zum Ende des 19. Jahrhunderts für nicht mehr zeitgemäß und gründete in Kleve 1895 eine erste eigene Kinderschuhfabrik. Schon der Begriff "Kinderschuhfabrik" beinhaltet zwei eklatante Neuerungen: Die Spezialisierung auf Kinderschuhe sowie deren massenhafte industrielle Produktion in einer Fabrik. Sein noch junges Unternehmen ließ er 1896 in der mit seinem Schwager gemeinsam eröffneten Kinderschuhfabrik „Pannier und Hoffmann“ aufgehen, bevor die beiden 1908 schließlich wieder eigene Wege gingen und je eigenständige Kinder- und Jugendschuhfirmen in Kleve begründeten – Hoffmann mit Fokus auf Kinderschuhe "bis Größe 27", Pannier mit Schwerpunkt auf die größeren Größen. Die heute bestehenden ehemaligen Fabrikbauten der Firma Pannier gehen in ihrer Grundanlage also auf das Jahr 1908 zurück.

Ein Stück Industrie- und Sozialgeschichte


Bei der gesamten Firmengeschichte – sowie entsprechend beim heutigen Denkmal – geht es um mehr als "nur" um Schuhe: Panniers Geschäftsidee speiste sich wesentlich aus zwei Gedankenwelten, die sich seit dem späteren 19. Jahrhundert entwickelt hatten und in den Jahren um 1900 intensivierten: Zum einen beeinflussten sich in diesen Jahren die Erkenntnisse der sich rasch entwickelnden Natur- und Körperwissenschaften und die sich – ebenfalls rasch entwickelnde – Industrie gegenseitig. Zum anderen entwickelte sich im Rahmen der sogenannten lebensreformatorischen Bewegung ein immer größeres Bewusstsein für gesunde Lebensweisen, sei dies nun bezogen auf konkrete Lebensumstände wie Wohnumgebung oder Ernährungsweise, sei es bezogen auf die Art der Bekleidung.

In der Firmengeschichte der ehemaligen Kinderschuhfabrik kulminieren all diese Entwicklungen auf einzigartige Weise und bezeugen darüber hinaus weitere modernisierende Entwicklungen bis in die 1950er Jahre hinein.

SS-Stiefel in Kriegszeiten

Im Zweiten Weltkrieg stellte das Unternehmen auch Stiefel für die deutsche Wehrmacht her, ein Bauantrag aus dem Jahr 1943 berichtet von einem "großen Auftragsbestand an Wehrmachtsaufträgen in Filzstiefeln für arktische Gegenden der Sonderstufe SS ‚Winter‘", die von zusätzlichen "weiblichen ausländischen Arbeitskräften" hergestellt würden. Um für diese – nicht näher bestimmten – Personen Unterkünfte bereitstellen zu können, ist die ehemalige Schreinerwerkstatt aufgestockt und ausgebaut worden. Dieses Gebäude ist heute im südwestlichen Bereich des ehemaligen Firmengeländes als Wohngebäude erhalten. Zwischen den Shedhallen und der Brahmsstraße entstand während des Krieges zudem ein unterirdisches Bunkergebäude.


Ein Denkmal auch der Nachkriegszeit

Während des Zweiten Weltkriegs ist der Gebäudebestand der Firma stark beschädigt worden. Die Bauten, die wir heute noch sehen, stammen wesentlich aus den späten 1940er und den 1950er Jahren aufbauend auf die Fundamente der Vorkriegsbauten. Die Wiederaufbauarbeiten nach Plänen des lokal ansässigen Architekten Klaus Schleich sind in rascher Folge mehrstufig erfolgt: Im Jahr 1946 sind Anträge zu Wiederaufbau und Instandsetzung der Fabrikations-, Lager- und Verwaltungsräume gestellt worden, weitere Aufbauarbeiten folgten, so dass die Anlage im Wesentlichen schon 1949 im Umfang der Vorkriegsjahre wiederhergestellt war. Ab 1950 erfolgten wesentliche Erweiterungen der Anlage, darunter die Vergrößerung der hofseitig gelegenen Fabrikationsbauten, ab Ende 1952 folgte zudem der Neubau einer Fabrikationshalle im nördlichen Bereich der Anlage. Die nordwestlich entlang der Shedhallen zur Brahmsstraße hin gelegenen flachen Anbauten sowie das Pförtnerhäuschen an der Werkszufahrt von der Ackerstraße sind nach 1952 entstanden, waren aber spätestens im Jahr 1958 vorhanden.

Im Jahr 1971 stellte die Schuhfabrik Pannier ihren Betrieb ein, die bauliche Anlage ist bis heute ohne größere Veränderungen erhalten. Technische Anlagen im Inneren der Bauten sind allerdings nicht mehr vorhanden.

Für die Entwicklung der Schuhfabrik Pannier – und damit für den heutigen Denkmalumfang – sind vier Zeitschichten wesentlich: Die Zeitschicht der Gründung nach 1908, diejenige der Kriegsproduktion während des Zweiten Weltkriegs, diejenige des Wiederaufbaus in den späten 1940er Jahren sowie diejenige der Erweiterungen im Zuge des so genannten Wirtschaftswunders bis 1958.


Autor

Porträt Doktor Ralf Liptau

Dr. Ralf Liptau

Industriedenkmalpfleger

ralf.liptau@lvr.de



Notfallplanung

Vorbereitung auf den nächsten Ernstfall

Die Erfahrung des Hochwassers 2021 im Rheinland hat gezeigt, dass sich das LVR-ADR für den nächsten Ernstfall besser vorbereiten muss. Aufgrund des Klimawandels werden Extremwetterlagen – und in ihrer Folge auch sog. Jahrhunderthochwasser – wohl häufiger werden. In der Vergangenheit waren von Hochwasser vor allem die Kommunen am Rhein betroffen, wo nach den Rekordwasserständen von 1995 und 1996 umfangreiche Maßnahmen zum Hochwasserschutz umgesetzt wurden. 2021 dagegen waren es hingegen vor allem die Nebenflüsse des Rheins, insbesondere Erft, Inde, Swist und Wupper, die über ihre Ufer traten. Es traf kleinere Gemeinden, die kaum oder keine Vorkehrungen gegen entsprechende Hochwasser getroffen hatten. Warnungen wurden zwar ausgesprochen, doch traf die Schwere die meisten Verantwortlichen und Anwohner*innen weitestgehend unvorbereitet. Dieses Ereignis zeigte, dass es keinen vollständigen Schutz vor Katastrophen gibt. Auch der Krieg in der Ukraine und die Folgen nicht nur für die Menschen, sondern auch für Kulturgüter, führt uns die Notwendigkeit von Vorsorge für den Notfall vor Augen.

Es stellt sich also die Frage: Was ist zu tun, um das Fachamt und die Denkmäler im Rheinland auf den nächsten Ernstfall vorzubereiten?

Die Notfallplanung ist ein wichtiges Instrument im Kulturgutschutz, das in vielen Bereichen bereits erfolgreich umgesetzt ist. Ein gutes Beispiel sind die Archive im Rheinland, die sich unter der Anleitung des LVR-Archivberatungs- und Fortbildungszentrums (LVR-AFZ) mit einem Notfallbund auch für das Hochwasser 2021 gut vorbereitet hatten. Diese Anstrengungen wurden besonders nach den Erfahrungen des Einsturzes des Historischen Archives der Stadt Köln 2009 und mittelbar auch dem Brand der Herzogin-Anna-Amalia Bibliothek in Weimar 2004 unternommen. Das LVR-AFZ verteilte in der Folge Notfallkoffer an viele Archive im Rheinland, deren Inhalt bei der ersten Bearbeitung von betroffenen Archivmaterialien hilft. Möglichkeiten für das Einfrieren nasser Archivalien und Lagerorte für Bergungsgut werden vorgehalten.

Wesentlich kleinteiliger sind dagegen Notfallpläne für einzelne Institutionen, etwa Museen. Dort werden schon im Vorfeld Risikobewertungen durchgeführt, um mögliche Bedrohungen zu identifizieren und beheben oder abmildern zu können. Mit Laufplänen und Prioritätslisten werden Evakuierungspläne erstellt, um Feuerwehr oder Katastrophenschutz bei der Bergung besonderer Objekte zu unterstützen. Solche Pläne werden auch für UNESCO-Welterbestätte empfohlen und existieren etwa für den Aachener und den Kölner Dom.

Für die tägliche Arbeit in der Denkmalpflege sind solche detaillierte Notfallpläne nur für ausgewählte Gebäude sinnvoll, angesichts der Menge und Heterogenität des unter Schutz stehenden Bestandes ist eine flächendeckende Entwicklung entsprechende Pläne weder umsetzbar noch sinnvoll. Primäre Aufgabe des LVR-ADR wird hingegen zukünftig sein, Informationen schnell bereitstellen zu können und sich organisatorisch gut zu vernetzen. Bereits im Nachgang des Hochwassers 2021 wurden im Schnellverfahren Handreichungen zur Bergung von Ausstattung und Trocknung von Kulturgütern und Gebäuden erstellt. Diese werden nun überarbeitet und ergänzt, Ziel ist die Erarbeitung von bundesweit einheitlichen Handreichungen unter dem Mantel der Vereinigung der Denkmalfachämter in den Ländern (VDL). Grundlagen bieten dabei bereits bestehende Leitfäden anderer Institutionen und Verbände. Zusätzlich ist es notwendig, sich besser in bestehende Notfallbünde einzubinden und Kontakte zu in diesem Bereich kompetenten Institutionen und Organisationen zu knüpfen. So soll beispielsweise ein Austausch mit dem Kulturgüterschutz der Feuerwehren im Rheinland und dem Technischen Hilfswerk und eine Notfallkoordination im LVR-ADR etabliert werden. Einen vollständigen Schutz vor Katastrophen wird es nicht geben können. Das Fachamt wird jedoch versuchen, sich selbst und die Denkmäler im Rheinland besser auf den nächsten Notfall vorzubereiten.


Autorin

Porträtfoto Maria Lörzel

Maria Lörzel M.A.

Restauratorin für moderne Materialien

maria.loerzel@lvr.de



Ministerin entscheidet: Kein Denkmalschutz für historischen Vierkanthof in Erftstadt-Herrig

Abrissarbeiten haben begonnen

Die Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes NRW (MHKBG NRW), Ina Scharrenbach, hat entschieden, dass der Herriger Schöddershof nicht unter Denkmalschutz gestellt wird und damit kommunalpolitischen und wirtschaftlichen Erwägungen den Vorrang eingeräumt. Der backsteinsichtige Vierkanthof aus den 1860er Jahren in der Dorfmitte von Herrig, dem das LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland (LVR-ADR) in einem Gutachten vom 15.09.2021 Denkmalwert bescheinigte, prägte das Ortsbild maßgeblich und war daher insbesondere aus städtebaulichen wie auch aus architektur- und sozialhistorischen Gründen erhaltenswert. Unmittelbar nach Bekanntgabe der ministeriellen Entscheidung am 25.04.2022 wurde mit dem Abriss des Hofes durch den Besitzer begonnen.

Das LVR-ADR hatte in seinem Gutachten festgestellt, dass das Ortsbild von Herrig im Bereich des alten Dorfkerns maßgeblich geprägt wird durch vier große Hofanlagen, darunter die nun dem Abriss preisgegebene in der St.-Clemens-Straße 24, sowie die Kirche St. Clemens einschließlich des Kirchhofs. Die Existenz eines großen Hofes an dieser Stelle ist seit 1496 bezeugt. Auch die Kommune selbst hat die Hofanlage im historischen Ortskern in ihrem in den 1990er Jahren aufgestellten Denkmalpflegeplan als erhaltenswerte Bausubstanz bewertet. Die Entscheidung des MHKBG NRW als Oberste Denkmalbehörde enthält leider keine fachliche Begründung. Auf vergleichbare Abwägungen wird sich die amtliche Denkmalpflege vor dem Hintergrund der Gesetzesnovelle einstellen müssen.

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Pulheim-Brauweiler, Donatus-Figur, Donatus-Straße/Ecke Helmholtzstraße

Der einstige Reichtum der Benediktinerabtei Brauweiler vor den Toren der Stadt Köln zeigt sich an den erhaltenen Bauten des ehrwürdigen Klosters. Aber auch einzelne Kleindenkmale in seinem Umfeld prägen bis heute in auffälligen Formen die Geschichte dieser zusammenhängenden Kulturlandschaft. Sinnfällig zeigt sich dies einerseits bei der Betrachtung der kunstvollen barocken Mariengruppe vor dem Freimersdorfer Fronhof, einst Besitz und Tafelgut des Klosters Brauweiler.

Aber auch das aufwändig gearbeitete Standbild des Heiligen Donatus an der Straßenecke der nach ihm benannten Donatusstraße in Brauweiler zeugt von den damaligen Ängsten und dem tiefen Glauben aller Schichten der hier lebenden und arbeitenden Menschen, sowohl der Bauern wie auch der Kleriker. Der Nahbereich des historisch verbürgten Standortes des Standbildes und der Denkmalbereich Freimersdorf sind möglicherweise durch die geplante Straßenbahnlinie tangiert.

Das Donatus-Standbild ist in diesem Zusammenhang ein herausragend beispielhaftes Zeugnis, das seit seiner Errichtung im Jahre 1779 unverändert bis heute seinen Standort behaupten konnte und explizit mit diesem angestammten Standort seine geschichtliche Bedeutung in verschiedenen Facetten dokumentiert. Der kurz zuvor im Jahre 1778 neu gewählte Abt Anselm Aldenhoven hatte es nach einem schweren Unwetter, bei dem die klösterlichen Felder wunderbarerweise verschont blieben, in Auftrag gegeben, nur ein Jahr bevor er die barocken Prälaturflügel des Klosters Brauweiler nach Plänen des Koblenzer Stadtbaumeisters Nikolaus Lauxen errichten ließ.

Donatus starb nach der Überlieferung als römischer Offizier im 2. Jahrhundert für seinen Glauben. Ein Unwetter hatte ihn in einer gefährlichen Notlage auf dem Schlachtfeld gerettet. Daraufhin gelobte er Gott seine künftige Ehelosigkeit. Dem Vorschlag des römischen Kaisers, dessen Enkelin zu heiraten, widersprach er und wurde daraufhin hingerichtet.

Die Katholische Kirche stufte Donatus als Märtyrer ein. 1646 ließ Papst Innozenz X. seine Gebeine erheben, um sie dem neuen Jesuitenkloster in Münstereifel zu schenken. Auf dem Weg nach Münstereifel, im Jahre 1652, segnete sie der Pfarrer in der Kirche von Euskirchen, als ein Blitz die Kirche traf und den Pfarrer am Altar verletzte. Dieser konnte jedoch gerettet werden und der feierlichen Prozession mit den Reliquien des Heiligen nach Münstereifel nachfolgen.

Römischer und fränkischer Besiedlung folgend war die Abtei Brauweiler als religiöses Zentrum seit dem Jahr 1024 die weithin beherrschende Landmarke am erhöhten Rand des Rheintales mit Blick auf Köln. Vor der Westseite der Abtei entwickelte sich über Jahrhunderte ein einfaches Straßendorf. Seine umgebenden Freiflächen mit fruchtbarer Feldflur durchzogen wenige Straßen und zahlreiche Feldwege, welche die Mönche zum Schutz ihrer Nahrungsquellen und aller Bewohner ihres Herrschaftsgebietes in besonderem Maße der Gnade himmlischer Hilfe anvertraut hatten: Hilfreich in der Fürbitte der Passanten sollten traditionell die an einigen kreuzenden Wegen errichteten Bildstöcke und Wegekreuze sein. Bedeutsam waren nicht minder die an bestimmten Festtagen der Kirche dort vorbeiführenden Feldprozessionen aller Gemeindemitglieder mit Gebeten, Gesang und Andachten.

Die Gläubigen nutzten diese Stationen bei ihrer Zwiesprache mit Gott und den Heiligen, die sie zum Schutz vor Unglück, Unwetter, Hagel, Blitz und Feuer anrufen konnten.

Dementsprechend wurde die Figur des Heiligen Donatus in der Brauweiler Feldflur am Wegesrand zwischen dem Kloster und dem großen landwirtschaftlichen Hofverbund des Klosters um Freimersdorf platziert. Jeder konnte im Vorbeikommen ein Vaterunser beten und den Schutz dieses für die Ernte so wichtigen Heiligen erflehen.

Die Fürsorge der Mönche für diesen Heiligen ging so weit, dass sie seinem Standbild einen Regenschutz in der Form eines zeltartigen Baldachins gönnten, so dass auch er selbst vor den schlimmsten Unwettern geschützt war: Man half sich demnach gegenseitig. Ältere Aufnahmen zeigen das Bildwerk noch ohne Hintergrundbebauung und die inzwischen verlorene Einbindung in die freie Landschaft, über die der Blick bis nach Köln reichte. Zwei stattliche Laubbäume rahmten seine Gestalt.


Sockel und Standbild sind aus dem rheinischen Trachyt-Stein geschlagen, barocke Ornamentik mit einer zentralen Inschrift prägt die Form des unteren Steins. Der lateinische Text verrät über ein Chronogramm das Jahr 1779 als Jahr der Errichtung. Die Inbrunst, mit der der Heilige in antikem Gewand eines römischen Soldaten mit gefalteten Händen zum Himmel blickt, erinnert sehr an süddeutsche Vorbilder jener Zeit. An seinem Hinterkopf ist ein aus Eisenblech geschmiedeter Sonnennimbus befestigt, der mit Blattgold belegt ist. Zur Verbesserung der Standfestigkeit stützt ihn eine rückwärtige Eisenstrebe, die im Boden verankert wurde. Auch der grazile Baldachin ist mit seinem Stützsystem, auf dem Blattwerk und Blüten aufgebracht wurden, eine solide und handwerklich saubere Schmiedearbeit. Der Baldachin besteht aus wetterfestem Kupferblech, gibt aber mit seinen Schabrackenrändern einen stofflichen Eindruck. Ein Kreuzaufsatz mit Kugel bekrönt das Ganze. Sicher hat hier neben dem erfahrenen Bildhauer auch ein versierter Kupferschläger, wahrscheinlich aus Köln kommend, seine Kunstfertigkeit unter Beweis stellen dürfen.

In der barocken Erscheinungsform hat die Donatus-Figur am alten Standort, an der Wegekreuzung der heutigen Donatus-Straße und Helmholtzstraße, unmittelbar am Straßenrand bis heute unverrückt überdauert. Dies stellt eine besondere Wertigkeit dar in einer Zeit, die bei Straßenbaumaßnahmen nicht selten solche Landmarken willkürlich versetzt hat und damit die tradierte historische Einbindung entwertete.

In der topographischen Kartierung des französischen Vermessungsoffiziers Tranchot der Jahre 1807/1808 wird das Donatus-Standbild bereits genau an dieser Kreuzung verortet dargestellt. Der Karte sind auch weitere wichtige Stationen der in klösterlicher Zeit genutzten Prozessionswege um das Brauweiler Kloster zu entnehmen, in der Darstellung allerdings überragt von der besonderen Detaillierung des Donatus-Bildstocks. Dieses gilt es auch für die Zukunft am tradierten Standort zu schützen und zu bewahren.

Der Nahbereich des historisch verbürgten Standortes des Standbildes und der Denkmalbereich Freimersdorf sind möglicherweise durch die hier geplante Straßenbahntrasse Köln – Pulheim – Bergheim tangiert.

Literatur:
Frank Kretzschmar: Religiöse Orte an Rhein und Erft. Köln 2013, S. 155–157. / Peter Schreiner: Die ehemalige Benediktinerabtei St Nikolaus in Brauweiler. In: Klöster und Stifte im Erftkreis. Pulheim-Brauweiler 1988 (Beiträge zur Geschichte des Erftkreises 6; Erftkreis-Veröffentlichung 128), S. 107–132. / Peter Schreiner: Die Geschichte der Abtei Brauweiler bei Köln 1024–1802. Pulheim 2001, S. 471.


Autor

Dr. Frank Kretzschmar

Kunsthistoriker, ehemals Gebietsreferent Abteilung Bau- und Kunstdenkmalpflege

fjkretzschmar@yahoo.de



Die Wasserversorgung in Neuss - gebaut mit architektonischem Anspruch

Die Untere Denkmalbehörde der Stadt Neuss hat kürzlich zwei Anlagen der wassertechnischen Infrastruktur in die Denkmalliste eingetragen. Das Wasserwerk am Broichhof, zwischen 1911 und 1914 nach Entwürfen des Neusser Stadtbaurats Carl Sittel erbaut, und das Wasserwerk Rheinbogen, ab 1954 vom Neusser Architekten Toni Maier entworfen, werden bis heute in ihrer ursprünglichen Funktion für die Wasserversorgung der Neusser Bevölkerung genutzt. Dank des kontinuierlichen und überwiegend behutsamen Bauunterhalts durch die Stadtwerke Neuss Energie und Wasser GmbH, sind beide Wasserwerke in bemerkenswert authentischen Überlieferungszuständen erhalten.

Den historischen Auftakt der technisierten Wasserversorgung in Neuss bildete der Bau des ersten städtischen Wasserwerks an der Weingartstraße im Jahr 1880. Mit dem Anschluss weiterer Haushalte an die öffentliche Wasserversorgung wurde die Errichtung eines zweiten Wasserwerks, demjenigen am Broichhof (Stadtwald, 1911–1914) erforderlich. Die Projektierung und der technische Ausbau der Anlagen oblagen jeweils dem Ingenieur Heinrich Scheven, der auch beim Bau des dritten Wasserwerks in Uedesheim beteiligt war. Die Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs führten zum Zusammenbruch der Wasserversorgung in Neuss, die in der Nachkriegszeit rasch wiederhergestellt werden musste. 1954 wurde daher mit dem Bau eines vierten Wasserwerkes zwischen Grimlinghausen und Uedesheim, dem Wasserwerk Rheinbogen, begonnen, das 1956 den Betrieb aufnahm und im Folgenden näher vorgestellt wird.


Jene aufmerksame (Bei-)Fahrer*innen, die regelmäßig über die A 46 und die Fleher Brücke von Neuss in Richtung Düsseldorf fahren und ihren Blick über das Rheinufer schweifen lassen, werden das Wasserwerk Rheinbogen kennen. Vermutlich wird es selten als Wasserwerk und technisches Denkmal wahrgenommen, sondern vielfach als idyllisches, vom satten Grün der Rheinwiesen umgebenes Wohnhaus. Aber hinter der Fassade des nach Entwürfen Toni Maiers errichteten Gebäudes verbirgt sich tatsächlich ein Technikdenkmal. Das in konservativer, landschaftsgebundener und damit zeittypisch traditioneller Bauweise errichtete Gebäude dokumentiert über seine charakteristische Gestaltung eine der Haupttendenzen innerhalb der Entwicklung der Baukultur nach dem Zweiten Weltkrieg. Es handelt sich um einen eingeschossigen Baukörper aus massivem, überwiegend weiß geschlämmtem Ziegelmauerwerk, der nach Westen hin von einem weit abgeschleppten Dach abgeschlossen wird, während die östliche Satteldachseite wesentlich kürzer ausfällt. Die dadurch entstehende Verschiebung der Traufe führt zu einer asymmetrischen und zugleich belebten Gesamterscheinung. Auf der Westseite ist ein großzügig verglastes, übergiebeltes Blumenfenster eingebaut, das die Assoziation mit einem Wohnhaus verstärkt. Auch die Verwendung von dekorativen Gittern, Öffnungen mit Natursteingewänden, applizierte Wappen über den Türeingängen und der Einsatz unterschiedlicher Mauerverbände auf der Ostseite, unterstreichen die gefällige und überwiegend a-technische Gestaltung des Baukörpers. Im Inneren des Wasserwerks setzt sich im westlichen Bereich des Erdgeschosses der Wohnhauscharakter fort. Der vorhandene Besprechungsraum ist beispielsweise mit historischen Deckenleuchten, kannelierten stuckierten Wanddekorationen im Blumenfenster, hölzernen Heizungsverkleidungen und einem polychromen Mosaik mit zwei „Blumenbeeten“ ausgestattet. Im Osten schließt das Pumpenhaus an und hier beginnt der technische Bereich (das Pumpenhaus und die Brunnenanlage wurden von der Philipp Holzmann AG gebaut). Aufgrund der Erneuerung der technischen Ausstattung ist von ehemals vier Pumpen nur noch ein Pumpenkopf erhalten, der der Veranschaulichung der ursprünglichen Technik dient. Vom Pumpenraum führt eine bauzeitliche Treppe mit grünen Kunststeinstufen und aufwändig gestaltetem Geländer ins Untergeschoss. Das Untergeschoss ist der gestalterische Höhepunkt des Wasserwerks. Hier befindet sich der Sammelbrunnen, der von einem kreisrunden Brunnenhaus eingefasst ist. Das Brunnenhaus verfügt über eine hohe gemauerte Sockelzone, die mit zunächst einer halben Lage schwarzer Fliesen und fünf Lagen hellblauer Fliesen verkleidet ist. Hierauf folgt eine grau gestrichene Rahmenkonstruktion mit Lüftungsöffnungen, in die gebogenes Fensterglas in eloxierten Messingrahmen eingesetzt ist. Auch die Innenwände des Brunnenhauses sowie der Brunnenschacht sind mit türkisen Fliesen verkleidet und der Fußboden der Zwischenebene ist mosaiziert, wie beinahe im gesamten Untergeschoss. Das Brunnenhaus wird von vier quadratischen Stützen gerahmt, die ebenfalls mit hellblauen und schwarzen Fliesen verkleidet sind. Es besticht durch seine qualitätvolle Gestaltung und das hohe Maß an bauzeitlicher Substanz. Die technische Ausstattung besteht heute aus Unterwassermotorpumpen, die alten Bohrlochwellenpumpen wurden bereits vor geraumer Zeit ausgetauscht.

Insgesamt handelt es sich beim Wasserwerk Rheinbogen um eine ausgesprochen außergewöhnliche Anlage: Während es zur Jahrhundertwende bis in die Zwischenkriegszeit hinein noch üblich war, architektonisch und gestalterisch anspruchsvolle Gebäude für die technische Infrastruktur oder auch Industrieanlagen zu errichten, ist seit der Nachkriegszeit eine zunehmende Anspruchslosigkeit und ein schwindender Qualitätsanspruch bei der architektonischen Gestaltung der baulichen Hüllen bei Bauten der Infrastruktur, der Industrie und der produzierenden Betriebe festzustellen. Das Wasserwerk Rheinbogen stellt in diesem Kontext eine bemerkenswerte Ausnahme dar. Der Architekt Toni Maier schuf eine qualitätvolle architektonische Hülle, die an den Wohnhausbau angelehnt war, und sich harmonisch in die Landschaft einfügt. Dabei wurden in der unmittelbaren Nachkriegszeit keine Kosten gescheut: das Innere ist qualitätsvoll und repräsentativ gestaltet. Das gilt nicht nur für die Gemeinschaftsräume, sondern insbesondere für das Brunnenhaus der Philipp Holzmann AG, das nicht für Publikumsverkehr vorgesehen war und dennoch eine überaus aufwändige und kostenintensive Gestaltung zeigt. Das Wasserwerk Rheinbogen dokumentiert, auch im Kontext mit dem Wasserwerk Broichhof, den kontinuierlichen Anspruch der Stadt Neuss und der Stadtwerke Neuss an die architektonische Gestaltung ihrer baulichen (und technischen) Anlagen. Darüber hinaus ist das Wasserwerk ein anschauliches Zeugnis für die Geschichte der technisierten Wasserversorgung der Stadt Neuss und für den Wiederaufbau der Neusser Infrastruktur nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs, weshalb es am 04.02.2019 unter der laufenden Nummer 9/13 rechtskräftig als Baudenkmal in die Denkmalliste der Stadt Neuss eingetragen wurde.


Autorin

Nadja Fröhlich M.A.

Referentin Inventarisation

nadja.fröhlich@lvr.de



Am stählernen Faden: Hänge- und Schrägseilbrücken

Die großen Hänge- und Schrägseilbrücken über den Rhein zählen mit weithin sichtbaren Pylonen, filigranen Tragkabeln und großen Spannweiten zu den beeindruckenden Ingenieurbauwerken des 20. Jahrhunderts im Rheinland. Als Symbole fortschrittlicher Mobilität entstanden, sind nun gleich mehrere dieser bedeutenden Nachkriegsbauten zwischen Bonn und Emmerich durch den ungebremsten Erfolg der Massenmotorisierung in ihrer Existenz bedroht.

Die Zeit der seilgetragenen Strombrücken im Rheinland begann 1938–41 mit dem Bau der Rodenkirchener Brücke im Süden von Köln. Die vom Ingenieur Fritz Leonhardt mit Prof. Karl Schächterle, Paul Bonatz und Gerd Lohmer als Prestigeprojekt für den Reichsautobahnbau errichtete Stahlkonstruktion war die erste echte Hängebrücke Deutschlands und seinerzeit größte Konstruktion dieser Art in Europa. Das Bombardement der alliierten Streitkräfte brachte sie 1945 zum Einsturz; nach Kriegsende war zwischen Basel und Emmerich am Rhein keine einzige Rheinquerung mehr nutzbar.

Ihr Wiederaufbau hatte daher höchste Priorität. Von 1947 bis 1960 wurden zwischen Bonn und Krefeld zehn Rheinbrücken errichtet, sechs davon mit Seiltragwerken. Fritz Leonhardt war an vier dieser Bauten maßgeblich beteiligt und führte dabei zahlreiche Innovationen in den deutschen Brückenbau ein. Mit der Nordbrücke (Theodor-Heuss-Brücke) entwickelte er für die Stadt Düsseldorf ab 1952 eine Schrägseilbrücke, die 1954–57 realisiert wurde, weltweit zu den ersten Bauten dieser Art zählte und den weiteren Rheinbrückenbau maßgeblich prägte: Bis 2009 wurden zwischen Bonn und Rees elf weitere Schrägseilbrücken errichtet. Die 1965 von Hellmuth Homberg entworfene Rheinbrücke Leverkusen war die erste, die das neue Tragprinzip für eine Autobahnüberführung nutzte. Homberg war im gleichen Jahr – gemeinsam mit dem Architekten Heinrich Barthmann – auch für die bislang einzige weitere Hängebrücke am Rhein verantwortlich: Die Rheinbrücke Emmerich, die bis heute mit einer Stützweite von 500 Metern die am weitesten gespannte Brücke Deutschlands ist.

Alle diese Bauwerke bezeugen den Siegeszug des automobilen Individualverkehrs mit seinen Folgen. Seit 1957 ist die Zahl der zugelassenen PKW in Deutschland von 2,3 auf 46,5 Millionen gestiegen. Sie verkehren gemeinsam mit Millionen Lastkraftwagen auf einem Straßennetz, das mit mehr als 889.000 Kilometern Länge zu den bedeutendsten Infrastrukturen des Landes zählt. Nirgends wird diese Bedeutung anschaulicher als an den Querungen großer Flüsse und Täler, die nur mit Hilfe landschaftsprägender Ingenieurbauwerke zu bewerkstelligen sind. Fünf Hänge- und Schrägseilbrücken in Köln, Düsseldorf und Emmerich stehen daher schon unter Denkmalschutz, mit der beantragten Eintragung der Düsseldorfer Rheinkniebrücke wird diese Zahl wachsen.

Die Bausubstanz der Rheinbrücken wird nun ausgerechnet durch jenes Verkehrsaufkommen zermürbt, welches durch ihren Bau erst möglich wurde. Zum einen drohen dramatisch gestiegene Fahrzeugzahlen und höhere Achslasten die Traglastreserven vieler Brücken zu überschreiten, zum anderen führen die ständig wechselnden Belastungen durch den überfahrenden Verkehr zur Ermüdung der verwendeten Baustoffe und erhöhen die Gefahr kritischer Rissbildungen – eine Problematik, die besonders Stahl- und Stahlbetonkonstruktionen betrifft. Die zur Bauzeit neuartigen Tragseilbündel zeigen heute vielfach Korrosion. Aber auch Frost und Tausalze, UV-Einstrahlung und außerplanmäßige Belastungen (z. B. durch Freigabe der Standspuren) verursachen Bauwerksschäden.


In der Konsequenz weisen viele Straßenbrücken der Nachkriegszeit bereits nach 50–60 Jahren gravierenden Verschleiß auf – lange, bevor sie ihre geplante Lebensdauer erreicht haben, und häufig auch vor einer Betrachtung durch die Denkmalpflege. Ihre Sanierung ist – gerade unter der Maßgabe, Brückensperrungen zu vermeiden – logistisch komplex, technisch herausfordernd und kostenaufwändig. Vielen Bauwerken droht daher der Abriss. Für die Rheinbrücke Leverkusen (1965) wird derzeit ein Ersatz errichtet, Abbrüche der Bonner Friedrich-Ebert-Brücke (1971) und der Fleher Brücke (1979) in Düsseldorf wurden laut Zeitungsberichten jüngst beschlossen. Auch geschützte Bauwerke sind bedroht: Die laufende Instandsetzung der Mülheimer Brücke in Köln hat bereits wichtige denkmalwerte Bauwerksteile aufgegeben, ein (Teil-)Neubau der Theodor-Heuss-Brücke in Düsseldorf ist im Gespräch und der Rodenkirchener Brücke in Köln droht ein Ausbau auf acht Spuren, der Presseberichten zufolge den Abbruch des Bauwerks nötig machen soll.

Dass aber ein mehrspuriger Ausbau nicht zwangsläufig zum Abriss führen muss, zeigt gerade die Rodenkirchener Brücke, die bereits 1990–94 schon einmal um zwei Fahrspuren erweitert wurde. In Abstimmung mit der Denkmalpflege wurde die genietete Altkonstruktion damals in moderner Schweißausführung verdoppelt. Wie auch immer man diese Entscheidung heute bewerten mag – sie müsste Ansporn geben, nach Wegen einer denkmalgerechten Erhaltung zu suchen.


Autor

Dipl.-Ing. Rasmus Radach

Referent Technik- und Industriedenkmalpflege

rasmus.radach@lvr.de



Schacht Gerdt in Duisburg-Homberg. Beim Strukturwandel ist "noch nicht Schicht"

Die direkt am Rhein gelegene, nach einem naheliegenden Weiler "Schacht Gerdt" benannte, ehemalige Schachtanlage im linksrheinischen Stadtteil Duisburg-Homberg ist auch heute noch ein weitgehend authentisch erhaltenes, eindrucksvolles Zeugnis für die letzte Entwicklungsstufe des linksrheinischen Steinkohlebergbaus im Duisburger Raum. Die meisten der heute erhaltenen Gebäude wurden erst 1955–59 auf dem Schachtgelände errichtet, auf dem es ab 1943 zur Abteufung des "Schacht 8" (in der Zählung des Grubenfeldes Rheinpreussen) gekommen war. Ihre Umnutzungsgeschichte hat gerade erst begonnen.

Der Abbau des Grubenfeldes Rheinpreussen begann mit den ersten Versuchen im linksrheinischen Homberg durch den Ruhrorter Kaufmann Franz Haniel um 1857. Ausgehend von dem bis heute teilweise erhaltenen ehemaligen landwirtschaftlichen Gut Haniel wuchsen dessen linksrheinische Bergbauunternehmungen ab 1880 in erheblichem Umfang. Sie waren mit den zahlreichen Zechenstandorten und zugehörigen Arbeiterwohnsiedlungen wesentliche Faktoren der Wirtschafts- und Siedlungsentwicklung im Raum Duisburg-Homberg und Moers. Die einzelnen Standorte wurden im Laufe der über 150-jährigen Entwicklung – auch in Abhängigkeit vom untertägigen Abbaufortschritt – in wechselnden ökonomischen und technischen Verbünden zusammengeschlossen. Der nahezu als letzter Standort von Rheinpreussen abgeteufte Schacht Gerdt war dabei von vorneherein als kleinere Außenschachtanlage konzipiert worden, die gegenüber den vorhandenen Großzechen in Duisburg-Homberg und Moers eher eine dienende Funktion hatte. Die Gebäude von Schacht Gerdt, allen voran der prägende Förderturm, waren zwar für die Beförderung von Personen (Seilfahrt) und Material gebaut worden, jedoch wurde ersteres schon 1967 wieder aufgegeben und die Anlage diente bis zum endgültigen Betriebsende 2008 nur noch als Wetter- und Materialschacht. Von den Rheinpreussen-Schachtanlagen ist außer Schacht Gerdt lediglich der Malakow-Turm (Baujahr 1879) und eine Werkhalle von Schacht 1/2 in Duisburg-Homberg übriggeblieben. Damit kann die über 150-jährige Abbaugeschichte des Grubenfeldes Rheinpreussen anhand authentischer baulicher Zeugnisse ausschließlich an diesen beiden Standorten vermittelt werden. Ein erster Schritt wurde für Schacht Gerdt bereits getan: er ist 2021 neu auf die Themenroute 17 ("Rheinische Bergbauroute") der Route der Industriekultur gesetzt worden.

Die Entwürfe für die erhaltenen obertägigen Gebäude werden dem Essener Industriearchitekten Fritz Schupp (1896–1974) zugeschrieben, der bereits unmittelbar nach dem Krieg seine umfangreiche Entwurfstätigkeit für Industrieanlagen des Steinkohlebergbaus wiederaufgenommen hatte. Dessen gemeinsam mit Martin Kremmer (1895–1945) bereits in den 1920er-Jahren entwickelte, spezielle Interpretation der Stahlfachwerkbauweise als teilweise vorgehängte Konstruktionen ohne sichtbare aussteifende Elemente ermöglichte bei Schacht Gerdt eine ebenso homogen und flächig gestaltete Außenhaut wie bei ihrem bekanntesten Werk, den Gebäuden der Zeche Zollverein in Essen. Hervorzuheben ist bei Schacht Gerdt, dass anstelle eines Fördergerüsts die Bauart des eher selten gebauten, kompakten Förderturms gewählt wurde, die den Vorteil bot, dass die Fördermaschinen und die zugehörige Mechanik komplett vor Witterungseinflüssen geschützt waren. Wie von vielen anderen Entwürfen von Schupp/Kremmer bekannt, sind auch hier alle vier Fassaden des Förderturms durch die mittige Anordnung einer vertikal von oben nach unten durchlaufenden, fein gegliederten Verglasung strukturiert. Die Maschinenebene im oberen Bereich des Turms verfügt zusätzlich über vier filigrane, auskragende Balkons. 1978 und 1986 wurden dann ohne Architektenbeteiligung noch die ebenfalls gestaltprägenden Diffusoren (Entlüftungsanlagen) aus Beton als Ersatzneubauten für ältere Anlagen gleicher Funktion ergänzt. Bezogen auf die mitunter dynamische Entwicklung der Nachkriegsarchitektur in Deutschland ist Schacht Gerdt somit ein Beispiel für die nahezu unveränderte Anwendung eines klassisch-modernen Entwurfsvokabulars aus dem Industriebau der Vorkriegszeit.


Mit der endgültigen Aufgabe der bergbaulichen Nutzung um 2008 geriet Schacht Gerdt in den Fokus der Denkmalerfassung und wurde 2012 auf der Basis eines umfangreichen Gutachtens als Denkmal geschützt. In diesem Zeitraum fand auch der Verkauf der Anlage an einen privaten Investor statt, der sich seitdem bemüht, die Anlage einer Nutzungsmischung aus Gewerbe- und Wohnpark zuzuführen. Der als Landmarke weithin sichtbare Förderturm soll dabei ebenso wie die angrenzenden Hallen als Trainingszentrum für Feuerwehren, technisches Hilfswerk und sonstige Rettungsdienste genutzt werden, während im Umfeld schrittweise weitere Baukörper ergänzt werden sollen. Im Hinblick auf die Umnutzung und bauliche Erweiterung des Zechengeländes erweist sich die Zusammenführung der unterschiedlichen umweltrechtlichen, planungsrechtlichen, baurechtlichen und denkmalpflegerischen Sichtweisen auf das Projekt derzeit aber leider als schwierig. Die Alleinlage der Anlage in der an dieser Stelle überwiegend naturräumlich geprägten Rheinaue stellt dabei sowohl ein Qualitätsmerkmal wie auch ein Konfliktpotenzial dar, welches insbesondere die bauliche Erweiterung erschwert. Die angestrebte und in kleinerem Umfang bereits stattfindende Umnutzung des Förderturms, der angrenzenden Nebengebäude und Anlagenteile allein ist wirtschaftlich für sich genommen kaum auskömmlich. Aus Sicht der Unteren Denkmalbehörde der Stadt Duisburg und des LVR-Amtes für Denkmalpflege im Rheinland (LVR-ADR) erscheint die maßvolle Ergänzung des denkmalgeschützten Gebäudebestandes auf dem Schachtgelände sinnvoll und notwendig, um genug Einkommen für den dauerhaften Erhalt der Schachtanlage zu generieren.

Das bei Schacht Gerdt vorhandene, seltene Szenario der Nachnutzung einer Schachtanlage als bislang ausschließlich privatwirtschaftliches Unterfangen steht im Gegensatz zu den meisten Entwicklungen an anderen vergleichbaren Standorten im Ruhrgebiet. Viele wurden bzw. werden massiv durch die öffentliche Hand oder Stiftungen mit Beteiligungen der öffentlichen Hand entwickelt und unterstützt (z. B. die Stiftung Industriedenkmalpflege und Geschichtskultur, Dortmund). Annähernd Vergleichbares fehlt bislang jedoch für das privatwirtschaftliche Engagement bei Schacht Gerdt. Aus Sicht des LVR-ADR verdient es aber nicht nur große Anerkennung, sondern vor allem auch bestmögliche öffentliche Unterstützung – sowohl aus umwelt-, planungs- und baurechtlicher Sicht als auch ggf. finanziell. In der Entwicklung des Standortes Schacht Gerdt besteht schließlich nicht nur eine Chance für den Erhalt eines wichtigen Zeugnisses der Duisburger Bergbaugeschichte, sondern auch für einen städtebaulichen und wirtschaftlichen Impuls in Duisburg-Homberg im Sinne eines erfolgreichen Strukturwandels.


Autor

Dipl.-Ing. Thorsten Schrolle

Gebietsreferent Abteilung Bau- und Kunstdenkmalpflege

thorsten.schrolle@lvr.de



Denkmal Aachener Dom. Ein Eintragungstext ist in die Jahre gekommen

Als 1978 die Welterbeliste der UNESCO begründet wurde, gehörte der Aachener Dom zu den ersten zwölf aufgelisteten internationalen Stätten und war damit gleichzeitig auch die erste Welterbestätte in Deutschland. Zwei Jahre später trat das nordrhein-westfälische Denkmalschutzgesetz in Kraft, das in § 3 den Unteren Denkmalbehörden der Kommunen die Führung der Denkmalliste zuwies, in die alle Baudenkmäler, Bodendenkmäler, Denkmalbereiche und beweglichen Denkmäler eingetragen werden. Am 19. Juli 1982 wurde der Aachener Dom als erstes Baudenkmal mit der laufenden Nr. 1 in die Denkmalliste der Stadt Aachen aufgenommen. Der damalige Eintragungstext, maschinenschriftlich auf einer Karteikarte festgehalten, war zwölf Zeilen lang. Am 21. Juni 1990 wurde er anlässlich der anstehenden Restaurierung mit vier Zeilen zur Orgel ergänzt, die damit ausführlicher gewürdigt wurde als etwa der gesamte karolingische Bau. Für eine der frühen Denkmaleintragungen ist ein solcher Zustand durchaus nicht ungewöhnlich, aber trotzdem unbefriedigend. In derartigen Fällen nimmt das LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland (LVR-ADR) daher in engem Zusammenwirken mit den Unteren Denkmalbehörden anlassbezogen eine Überarbeitung vor, wenn sich etwa grundlegende neue Erkenntnisse ergeben haben und/oder eine anstehende Baumaßnahme eine Präzisierung der Denkmaleigenschaft dringend erforderlich macht.

Die Anforderungen an einen Denkmallistentext sind dabei durchaus hoch: Er soll eine Darstellung der wesentlichen charakteristischen Eigenschaften des Denkmals und seiner Ausstattung enthalten, den Denkmalumfang und seine Lage exakt bezeichnen und die Begründung des Denkmalwerts anhand der Tatbestandsmerkmale in § 2 Denkmalschutzgesetz NRW darlegen. Hierzu gehören die Bedeutung für die Geschichte des Menschen, für Städte und Siedlungen und/oder für die Entwicklung der Arbeits- und Produktionsverhältnisse. Außerdem muss mindestens eine Begründung dafür vorliegen, dass an der Erhaltung und Nutzung des Denkmals ein öffentliches Interesse besteht, wozu künstlerische, wissenschaftliche, volkskundliche und städtebauliche Gründe angeführt werden können. All dem wurde der knappe Eintragungstext zum Aachener Dom kaum gerecht. Hinzu kam, dass während der Generalsanierung in den vergangenen rund 25 Jahren von der Dombauleitung und dem LVR-ADR umfangreiche Bauuntersuchungen und Forschungen durchgeführt und dabei neue Erkenntnisse gewonnen werden konnten. Das "Karlsjahr" 2014 erinnerte mit großen Ausstellungen an den Tod Karls des Großen vor 1.200 Jahren und erbrachte neue Veröffentlichungen aus historischer, kunst- und architekturhistorischer sowie archäologischer Sicht. Nicht zuletzt hierdurch war der 38 Jahre alte Eintragungstext nun endgültig überholt und der Bedeutung der Welterbestätte Aachener Dom nicht länger angemessen.


Die Defizite waren offensichtlich: Der bisherige Text bestand aus einer rein summarischen Auflistung von Bauteilen und Jahreszahlen zur Kirche. Einzelne Teile der Ausstattung waren ebenfalls benannt, ansonsten wurde auf die – allerdings sehr genaue und umfassende – Katalogisierung des Domschatzes von Ernst Günther Grimme (Aachener Kunstblätter, Bd. 42, Düsseldorf ²1973) verwiesen. Neben dem eigentlichen Kirchenbau wurden der "Kreuzgang und alle umliegenden Bauten vom 8. bis zum 20. Jh." erwähnt, ebenso die Taufkapelle am Eingang zum Atrium sowie „das Gitter 19. Jh. und Außenanlagen Münsterplatz“. Diese lapidare Aufzählung macht deutlich, dass es bei der neuerlichen Bewertung zunächst einmal um eine genaue Bestimmung des Denkmalumfangs gehen musste. Welche Bauten und baulichen Anlagen, welche baufeste und bewegliche Ausstattung, welche Freiflächen und Einfriedungen gehören zum Denkmal Aachener Dom? Dazu wurden die drei Bereiche Kirche, Atrium und Kreuzgang in ihrer Lage im Stadtbild, ihrer räumlichen Untergliederung, den zugehörigen Bauten, Ausstattungsstücken und Freiflächen in den Blick genommen. Es fehlte weiter an einer Darstellung der charakteristischen Eigenschaften des Denkmals, angefangen beim karolingischen Kernbau über die gotische Chorhalle und die Kapellenbauten bis hin zu den barocken Veränderungen und den baulichen Maßnahmen des 19. und 20. Jahrhunderts. Die Wiederherstellungsmaßnahmen nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs, insbesondere die Neubauten am Kreuzgang durch Felix Kreusch, wurden als ein wichtiges Kapitel in der Geschichte des Aachener Doms neu gewürdigt. Hierzu gehört auch die jüngere Ausstattung, etwa die von Ewald Mataré und anderen Künstler*innen entworfenen Fensterverglasungen, die in den 1950er bis 1990er Jahren entstanden. Historische und jüngere Ausstattungsstücke, die zur Geschichte des Bauwerks gehören, aber bei Grimme nicht erfasst und bisher meist wenig beachtet worden sind, fanden ebenfalls Berücksichtigung. Hier sind insbesondere die Ausstattungen in den zahlreichen Kapellen oder im Kreuzgang aufbewahrte Stücke zu nennen, angefangen von einer gotischen Steinzange zum Heben von Quadern, die beim Bau der Chorhalle und der Kapellen zum Einsatz kam, bis hin zur sogenannten Wespienmadonna aus dem 18. Jahrhundert, die ursprünglich von einem Aachener Bürgerhaus stammte.

Die so erstellte Fortschreibung des Eintragungstextes ist ein umfangreiches Gutachten zum Denkmalwert geworden, das 37 Textseiten umfasst und damit der künstlerischen und historischen Bedeutung des Baudenkmals Aachener Dom, seinem räumlichen Umfang, seiner Lage und städtebaulichen Wirkung, seiner baulichen Entwicklung von den karolingischen Ursprüngen bis heute sowie seiner Ausstattung Rechnung trägt.

Abschließend erfolgte eine ausführliche Begründung des Denkmalwertes anhand der gesetzlichen Kriterien. Die Verfasserin, die selbst lange Jahre am Aachener Dom geforscht hat, erstellte das Gutachten in enger Zusammenarbeit mit weiteren Fachleuten des LVR-ADR: Dr. Oliver Meys als Inventarisator, Maria Kampshoff als zuständiger Gebietsreferentin und Philipp F. Huntscha als wissenschaftlichem Volontär. Der Aachener Dombaumeister Helmut Maintz und Andreas Priesters von der Unteren Denkmalbehörde der Stadt Aachen haben ebenso mitgewirkt. Der neue Denkmaltext soll in Zukunft eine schnelle und präzise Orientierung darüber ermöglichen, was genau das Denkmal Aachener Dom ausmacht und umfasst, um damit seiner weiteren Erhaltung und Nutzung zu dienen. Er wurde durch den Eintrag in die Denkmalliste der Stadt Aachen am 19.05.2021 rechtskräftig.


Autorin

Foto: Dr. Ulrike Heckner

Dr. Ulrike Heckner

Abteilungsleiterin Dokumentation

ulrike.heckner@lvr.de



Brühl: Venedig wiederentdeckt?

Nein, bei dieser Nachricht handelt es sich nicht, wie man vermuten könnte, um einen Reisebericht in Pandemiezeiten, sondern um die Wiederentdeckung einer Wandmalerei mit der Ansicht einer am Wasser gelegenen Stadt. Das Wandbild kam bei Renovierungsmaßnahmen unter mehreren Tapetenschichten im Foyer eines denkmalgeschützten Brühler Wohnhauses zu Tage, einem Gründerzeitbau aus dem Baujahr 1900, der auf einen Entwurf des rheinländischen Architekten Jean Schmitz (1852–1937) zurückgeht. Nach Kontaktaufnahme der Eigentümerin mit dem LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland erfolgte die fotografische Dokumentation des Bildes durch die Abteilung Bauforschung sowie die Untersuchung der Malerei und ihres Zustandes durch das Team Restaurierung in unserem Haus.

Wiederentdeckt und freigelegt wurde die monochrome Ansicht einer Panoramalandschaft über etwa 3,50 Meter Länge. Im Fokus der Malerei liegt ein Gewässer mit dort passierenden Schiffen und dessen Ufer. Im Bildvordergrund steht eine einbogige Fußgängerbrücke mit Skulpturen auf den vorderen Balustradenpfeilern. Dem Augenschein nach handelt es sich dabei um sitzende Löwen. Von dort aus geht der Blick über das Wasser in Richtung Horizont, wo ein gekuppelter Baukörper zu sehen ist. Im Hintergrund der Brücke ist ein Turm abgebildet, ein weiterer kleiner Turm mit Spitzdach befindet sich unmittelbar daneben. Eine ganz ähnliche Gebäudeabfolge und geografische Situation finden wir in Venedig: Stimmt die Vermutung, so wären die Kuppeln der barocken Kirche Santa Maria della Salute und der Markusturm abgebildet und wir würden in die Öffnung des Canale Grande blicken. Bei genauerer Betrachtung ist jedoch erkennbar, dass die Balustrade der besagten Brücke in Art und Ausführung in heutiger Zeit keiner der Brücken an dieser Stelle der venezianischen Bucht zuzuordnen ist und der Markusturm um ein paar Öffnungen in der Fassade und ein Kirchenschiff reicher ist. Handelt es sich bei der beschriebenen Darstellung also doch um eine fiktive Stadtansicht?

Hinsichtlich eines möglichen Vorbilds wirft auch die Maltechnik interessante Aspekte auf: Maltechnisch handelt es sich um eine Öl- oder Temperamalerei, also um eine Secco-Technik, bei der ein flüssiges Malmittel auf trockenem Grund aufgebracht wird. Die heute gelblich verfärbte Oberfläche wird durch einen gealterten Firnis bestimmt, der die Malereioberfläche schützen soll und zugleich für den Oberflächenglanz sorgt. Zudem liegt eine vergraute Schicht auf – sicherlich Reste eines mit dem Quast aufgetragenen Kleisters der ehemaligen Überklebung des Wandbildes. Dementsprechend beeinträchtigt erscheint die Malerei im freigelegten Zustand.


Das Wandbild wurde monochrom in einem dunklen Blau auf hellem Grund ausgeführt, es erhielt lediglich für die Darstellung von Lichtern Höhungen in Weiß. Die Oberfläche der Malerei ist sehr glatt, nur im Bereich der Lichter ist ein pastoser Auftrag von weißer Farbe mit stark ausgeprägtem Pinselduktus erkennbar. Die Art der Ausführung erinnert an niederländische Fayencemalerei. Im Gegensatz zur klassischen Grisaille, also einer in grauen, weißen und schwarzen Tönen gehaltenen Malerei, die zugleich eine beliebte Maltechnik in der Wandmalerei darstellte, hat Blaumalerei oder Blaugrisaille ihren Ursprung in der chinesischen Porzellanmalerei. Die wohl bekannteste Stadt für die Herstellung von Keramik mit Blaumalerei ist Delft in den Niederlanden. Insgesamt erinnert die Brühler Wandmalerei in ihrer Technik, Farbigkeit und Motivwahl an eine diese Art der Fayencemalerei. Blaumalerei findet sich interessanterweise an anderer Stelle in Brühl. In Schloss Augustusburg (zwischen 1725 und 1728 errichtet) zum Beispiel wurde im sogenannten Blauen Winterappartement (um 1730/1740) eine Vedute als Bekrönung einer Ofennische "Blau in Blau" ausgemalt. In weit größerem Umfang finden wir die Blaumalerei neben den "originalen" Vorbildern – etwa 10.000 Rotterdamer Fliesen in blauer Inglasurmalerei auf weißem Grund – unter anderem im Treppenhaus von Schloss Falkenlust (Grundsteinlegung im Jahre 1729), das nach Entwürfen von Stephan Laurenz de la Roque bemalt wurde.

Das blaue Fliesendekor aus dem Treppenhaus in Schloss Falkenlust in Brühl wurde samt Fugenbild mittels der Malerei im Bereich der Unterseite der Treppe und unter dem Podest aufgemalt /imitiert (1970 aufgedeckt und restauriert vom LVR-ADR). Bei der Stadtansicht im Treppenhaus des Wohnhauses fehlen aber solche gemalten Fugen.

Könnten dies also Vorbilder für die Malerei im Foyer des Gründerzeitbaus an der Kaiserstraße gewesen sein? Wie bei Porzellan oder Keramik kam hier die blaue Farbe lasierend zum Einsatz. Dadurch erscheint das Bild regelrecht mehrfarbig und erhält eine hohe Tiefenwirkung. Darstellungen des Vordergrundes sind deckender gemalt als die sehr lasierend ausgeführten Szenen und das Stadtbild im Bildhintergrund. Der Bilduntergrund ist weiß oder leicht abgetönt mit Ocker oder Umbra angelegt. Das Bild zeichnet sich nicht nur durch eine lebendige Komposition, sondern auch durch eine lockere Pinselführung aus. Hat sich der Künstler oder die Künstlerin hier die Porzellan- oder Keramikmalerei generell zum Vorbild genommen? Die Imitation von hochwertigerer Materialität mit Hilfe von Wandmalerei gehört jedenfalls zu einer der Hauptaufgaben der Wandmalereitechnik. Zum Beispiel bildet auch eine Marmorimitation den Sockel der blauen Stadtansicht.

Anhand der untersuchten Schichtenfolge ist die freigelegte Malerei nicht der Entstehungszeit des Gebäudes zuzuordnen, sondern einer etwas später ausgeführten Renovierungsphase. Unterhalb der Malerei finden sich Reste einer ursprünglichen, floralen Dekorationsmalerei auf grünem Hintergrund.

Die später darüber angebrachte Wandmalerei ist mehrere Jahrzehnte weitgehend unbeschadet in einem Dornröschenschlaf unter Tapetenschichten geschützt gewesen. Bis auf einige Kratzer und altersbedingte Veränderungen ist der Gesamtzustand aus konservatorischer Sicht als gut zu bewerten. In Zukunft dürfen sich die Denkmaleigentümer*innen an dieser maritimen Szenerie erfreuen, hoffentlich bald in restauriertem Zustand. In einem Gutachten durch die Restauratorinnen für Wandmalerei in unserem Haus wurden verschiedene Maßnahmen zur Erhaltung und Präsentation des wiederentdeckten Wandbildes empfohlen.

Ob es sich bei der dargestellten Stadt am Wasser nun tatsächlich um Venedig oder doch um eine andere, möglicherweise fiktive Stadtansicht handelt, bleibt weiterhin offen – tut der angestrebten Koservierung und Restaurierung des schönen Bildes aber keinen Abbruch.


Autorin

Stefanie Gatzke M.A.

Abteilung Restaurierung/Werkstatt für anorganische Materialien

stefanie.gatzke@lvr.de



Westbau von St. Pantaleon in Köln – Über 1000 Jahre altes Bauholz gefunden

Der Westbau von St. Pantaleon ist ein beeindruckendes Zeugnis frühmittelalterlicher Architektur, das die Forschung immer wieder beschäftigt. Derzeit wird das Bauwerk aufwändig saniert und das LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland (LVR-ADR) führt eine begleitende Bauuntersuchung durch. Dabei kam ein überraschender Fund zutage: In der Marienkapelle sind unter dem Verputz eines Gewölbes Reste von originalen Bauhölzern entdeckt worden, die zu einem mittelalterlichen Baugerüst gehörten.

Bisher galt das Gewölbe als nachträglich eingezogen, aber die Hölzer und die gesamte Bautechnik bezeugen, dass es zum originalen mittelalterlichen Baubestand gehört. Das mächtige Gewölbe ist aus großen Tuffsteinen gemauert. Auch römische Quader wurden „recycelt“ und mit verbaut. Die Bauleute errichteten zunächst eine hölzerne Hilfskonstruktion mit einer Bretter-Verschalung, die das Gewölbe stützte, solange der Mörtel noch nicht fest war. Die Schalbretter aus Eichenholz waren zwischen der Gewölbedecke und der Wand fest eingemauert, damit sie die schwere Last tragen konnten. Die hölzerne Schalung wurde wieder entfernt, sobald der Mörtel erhärtet und das Gewölbe tragfähig war. Doch dabei blieben Reste der Bretter in der Wand stecken.

Nur selten finden sich noch solche Spuren von hölzernen Hilfskonstruktionen, daher ist der Fund in St. Pantaleon höchst außergewöhnlich. Er gibt Aufschluss über die mittelalterliche Bautechnik und er verrät uns, wie alt das Gewölbe ist. Zwei Holzproben wurden zur Radiocarbonuntersuchung in das Leibniz-Labor für Altersbestimmung und Isotopenforschung der Universität Kiel geschickt. Anhand des Zerfalls von Kohlenstoff-Isotopen konnte das Alter des organischen Materials bestimmt werden. Das Ergebnis ordnet die Hölzer in einen Zeitraum zwischen 892 und 992 ein. Sie sind also über 1000 Jahre alt.


Die neue Holz-Datierung bestätigt die überlieferte Baugeschichte von St. Pantaleon. Die historischen Quellen berichten über eine Grundsteinlegung 964 zur Vergrößerung des Kirchenbaus, wozu der 965 gestorbene Erzbischof Brun in seinem Testament die beachtliche Summe von 300 Pfund zur Verfügung gestellt hatte. Auch Kaiserin Theopanu, die 991 in der Kirche begraben wurde, bedachte Pantaleon mit reichen Schenkungen. Eine Datierung des Westbaus in diese Zeit wurde jedoch aus stilistischen Gründen in der kunsthistorischen Forschung zuletzt oft angezweifelt. Zu fortschrittlich erschienen die Bauformen, daher wurde eine Entstehung im 11. Jahrhundert, meist um 1020/30, angenommen. Das ist nach den Ergebnissen der Holzdatierung jedoch sehr unwahrscheinlich geworden.

Die Holzdatierung bekräftigt dagegen die Einordnung des Westbaus von St. Pantaleon als ein außergewöhnliches Werk der ottonischen Baukunst in der zweiten Hälfte des 10. Jahrhundert, in der Zeit von Erzbischof Brun und Kaiserin Theophanu. Bauuntersuchung und 3D-Vermessung des Gewölbes werden wichtige neue Aufschlüsse über die Entwicklung und Ausführung des frühmittelalterlichen Gewölbebaus ergeben, über die Baukonstruktion und Technik, über Lehrgerüste und Geometrie. Die eher unscheinbaren Holzreste sind unmittelbare Zeugnisse der Bauabläufe von vor über 1000 Jahren, und es ist ein ungeahnter Glücksfall, dass sie sich bis in die heutige Zeit erhalten haben.


Weitere Informationen entnehmen Sie bitte dem Aufsatz "Über 1000 Jahre altes Bauholz im Westbau von St. Pantaleon in Köln entdeckt" von Dr. Ulrike Heckner in unserer Hauszeitschrift "Denkmalpflege im Rheinland", Heft 2/2021, S. 1-8:

Autorin

Foto: Dr. Ulrike Heckner

Dr. Ulrike Heckner

Abteilungsleiterin Dokumentation

ulrike.heckner@lvr.de



Weiterer Fund von Kalksinter am Turm der evangelischen Kirche in Gummersbach

Über die im Mittelalter aus der römischen Eifelwasserleitung gebrochenen und zu Säulen, Altarplatten, Füllungen für Chorschranken und anderen Schmucksteinen verarbeiteten Kalksinterablagerungen wurde in der Zeitschrift "Denkmalpflege im Rheinland" des LVR-Amtes für Denkmalpflege zuletzt 2018 berichtet. Dabei wurden Neufunde des in seiner Verwendung und heutigen Erhaltung insbesondere von Klaus Grewe in mehreren Publikationen nahezu lückenlos dokumentierten Materials an den romanischen Türmen in Engelskirchen, Ründeroth und Gruiten vorgestellt. Ein weiterer Neufund von Säulen aus Kalksinter konnte jüngst im Zuge der Sanierung des Turmes der evangelischen Kirche in Gummersbach entdeckt werden.

Der mächtige, kaum gegliederte Turm des 12. Jahrhunderts mit seinen Giebelaufsätzen des späten 12. oder frühen 13. Jahrhunderts als ältestem Teil der heutigen Anlage erhebt sich vor dem teils noch aus romanischer und vor allem aus gotischer Zeit stammenden Kirchenbau. Der heute das Gebäude prägende, weiß gestrichene Verputz stammt von 1967, als die Steinsichtigkeit der historistischen Restaurierung von 1899 zugunsten eines als historisch richtig empfundenen Verputzes der Kirche aufgegeben wurde. Der mehrere Zentimeter starke, zementgebundene Putz ist äußerst hart. Aufgrund der unterschiedlichen Ausdehnungskoeffizienten von Mauerwerk und Zementputz sowie der damit verbundenen Spannungen, vor allem auf der Westseite des Turmes, hatte sich der Putz großflächig vom Untergrund abgelöst, was die derzeit laufende Instandsetzung zwingend notwendig machte. Nach ausführlichen Diskussionen um Verputz, Schlämme oder Steinsichtigkeit, etwa nach Vorbild der jüngst steinsichtig wiederhergestellten romanischen Türme in Wiehl oder Engelskirchen, wurde zugunsten der seit den 1960er Jahren überlieferten einheitlichen Erscheinung der Kirche entschieden und wegen des erheblichen Aufwandes zur Herstellung einer Steinsichtigkeit die Erneuerung schadhafter Bereiche des Verputzes beschlossen. Im Zuge der im Frühjahr 2019 begonnenen Instandsetzung des Turmes zeigte sich, dass der Verputz weitgehend entfernt werden musste und eine – vor allem auf der Westseite des Turmes – stark eingreifende Sanierung des in großen Flächen sehr maroden Mauerwerkes aus kleinteiligem Bruchsteinen von stellenweise überraschend schlechter Steinqualität notwendig wurde. Allerdings handelte es sich bei diesen Mauerwerksflächen wohl um Reparaturen und Instandsetzungen früherer Restaurierungen – wohl aus gotischer oder barocker Zeit. Die bauzeitlich erhaltenen Mauerflächen des Turmes zeigten die gleiche qualitätsvolle, typische Lagenhaftigkeit romanischen Mauerwerkes der Region, wie sie auch an den Türmen in Wiehl, Ründeroth, Engelskirchen oder beispielsweise an der Burg Blankenberg anzutreffen ist.

Während die Materialität der Basen, Säulen, Würfelkapitelle und Kämpfer der Schallöffnungen im Obergeschoss des Turmes und der beiden Fenster des darunterliegenden Geschosses nur lückenhaft geklärt werden konnten, da die hier dick aufliegende Mörtelschlämme von 1967 nicht entfernt wurde, trat im südlichen Giebel des Turmes ein überraschender Befund zutage: Nach Demontage der vier riesigen Zifferblätter der Turmuhr konnte hier ein zugemauertes Rundbogenfenster mit eingestellter Säule aufgedeckt werden. Vergleichbare Fenster waren auch an den anderen Giebeln vorhanden; auf der Westseite jedoch völlig durch neueres Mauerwerk ersetzt und an Nord- und Ostseite zwar noch offen, aber mit ausgebrochenen Säulen nur noch schmucklos erhalten. Lediglich im Fenster des Ostgiebels hat sich die Basis aus Kalkstein der hier ehemals vorhandenen Säule erhalten. Die im unteren Drittel einmal gebrochene, aber ansonsten sehr gut erhaltene Säule im Südgiebel besteht aus Kalksinter, dessen schöne Zeichnung sichtbar wird, wenn die Säulenoberfläche mit Wasser benetzt wird. Eine anschließende Probereinigung der Säule in der rechten, östlichen Schallöffnung der Südseite legte auch hier Kalksinter als Material frei.


Die Ausmauerung des Giebelfensters in Grauwacke-Bruchstein ist in hellem, fetten Kalkmörtel, der sich deutlich vom dunkleren und gröberen Versetzmörtel des Giebelmauerwerks unterscheidet, bündig mit der Säule ausgeführt, so dass ihre Vorderseite noch sichtbar blieb. Die Ausmauerung war ursprünglich mit einem dem Versetzmörtel identischen Mörtel verputzt und weiß gefasst. Ob die Säule dabei ausgespart wurde, ist aufgrund der wenigen erhaltenen Putzreste nicht mehr festzustellen. Es scheint aber wahrscheinlich, da eine freibleibende Säule trotz Vermauerung der Öffnungen den Charakter des Fensters mit eingestelltem Säulenschaft, Kapitell und Kämpfer beibehalten hätte. Der Verputz unterscheidet sich deutlich von romanischen Putzresten in der Laibung des Tuffsteinbogens über dem Fenster, wo sie gröber und dunkler ausfallen. Diese könnten zusammen mit der Vermauerung des Fensters aus gotischer Zeit stammen, vielleicht im Zusammenhang mit der Errichtung von Querhaus, Chor und südlichem Seitenschiff im 15. Jahrhundert.

Wo sich ursprünglich das Kapitell der Säule befand, klafft heute ein grob in das Mauerwerk geschlagenes Loch, durch welches die Zeigerachse der Turmuhr geschoben wurde. Vom Kämpfer sind lediglich Reste aus weißem Kalkstein, wohl wiederverwendetes römisches Material aus Norroy-lès-Pont-à-Mousson an der Mosel zwischen Metz und Nancy erhalten.

Mit dem Fund der zwei Kalksintersäulen am Turm der evangelischen Kirche in Gummersbach, sicher Reste eines hier ehemals größeren Bestandes, erweitert sich der bekannte Bestand von Kalksinter an romanischen Türmen des 12. Jahrhunderts neben Ründeroth und Engelskirchen um ein weiteres Beispiel in einem recht eng umgrenzten regionalen Bereich des Bergischen Landes. Nach der Sanierung des Turmes wird das vermauerte Fenster samt der Kalksintersäule wieder hinter dem Zifferblatt der Turmuhr verschwinden. Damit ist sie zwar der Sichtbarkeit entzogen, wird allerdings auch vor der Witterung geschützt.


Autor

Dipl.-Rest. Christoph Schaab

Leiter der Restaurierungswerkstatt für anorganische Materialien

christoph.schaab@lvr.de



18 Jahre FSJ beim LVR-ADR

Am 31. August 2020 beendete Sven Thissen sein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) in der Denkmalpflege. Interesse an der Baukultur, berufliche Orientierung und persönliche Weiterbildung waren seine Beweggründe, sich nach dem Abitur ein volles Jahr in der Denkmalpflege zu engagieren.

Seit 18 Jahren zählen die Teilnehmer*innen des FSJ für jeweils ein Jahr zu den Mitarbeitenden beim LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland (LVR-ADR). Der Start des Freiwilligendienstes im Jahr 2002 stand noch unter dem Motto: Erst einmal ausprobieren! Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit von Denkmalpfleger*innen und Jugendlichen in der Praxis? In welchen Bereichen können die Freiwilligen sinnvoll eingesetzt werden und dabei zugleich ihre praktischen und theoretischen Fähigkeiten erproben? Und: Welche Chancen ergeben sich für die Denkmalpflege? Die langjährigen Erfahrungen mit 30 Freiwilligen haben längst bestätigt: Die Arbeit ist von gegenseitiger Akzeptanz, gemeinsamen Interessen und einem vielschichtigen Mehrwert für alle Beteiligten geprägt.

Entsprechend der Aufgabenvielfalt des LVR-ADR wird das FSJ in einem bewährten "Curriculum" zugleich offen gestaltet. In einer dreimonatigen Einführungsphase lernen die Freiwilligen zunächst alle Abteilungen des Fachamtes kennen: Inventarisation, Bau- und Kunstdenkmalpflege, Dokumentation und Restaurierung. Sie erhalten so auch Einblicke in die Arbeitsbereiche der zugehörigen Sachgebiete und Einrichtungen, z. B. Fotowerkstatt, Vermessung und Bauforschung, Gartendenkmalpflege, Bild- und Planarchiv, Registratur und Bibliothek. Nach dieser "Schnupperphase" bieten wir den Freiwilligen die Möglichkeit, nach persönlichen Neigungen und Zielen den Gestaltungsspielraum zu nutzen und eigene Schwerpunkte im denkmalpflegerischen Engagement zu setzen.

Großes Interesse an der Mitarbeit erfahren seit Jahren die Sachgebiete Bauforschung und Vermessung, die projektbezogen im Team zusammenarbeiten. Die FSJ'ler*innen befassen sich in Theorie und Praxis mit spezialisierten Vermessungstechniken zur Dokumentation von Baudenkmälern. In der Praxis lernen sie das traditionelle Handaufmaß und die Gebäudevermessung mit dem Tachymeter. An vielen Projekten führen sie, angeleitet vom Team, Bauaufnahmen vor Ort und deren digitale Nachbereitung im Büro durch. Durch das Messen und Zeichnen erhalten die Freiwilligen einen begreifbaren Zugang zu Zeugnissen der Baukultur. Sie lernen im Prozess des Betrachtens und Dokumentierens historische Bautechniken und Baumaterialien kennen. So hat Sven Thissen, FSJ'ler 2019/20, seine Leidenschaft für die Gefügekunde des Fachwerks entdeckt. Mit großem Engagement unterstützte er das Team bei der Untersuchung und Dokumentation von ländlichen Fachwerkbauten. "Learning by doing" prägt auch die Zusammenarbeit mit der Bauforschung. Ungeklärte Fragen zur Baugeschichte eines Denkmals haben einen besonderen Reiz, der auch darin besteht, diese Fragen im Team zu erörtern und gemeinsam zu entschlüsseln. Die Freiwilligen werden hier vielfach eingesetzt, sei es, dass sie nach fachlicher Anleitung vor Ort Kartierungen anfertigen, sei es, dass sie die Ergebnisse in Schaubildern für die Öffentlichkeit aufbereiten. So verdanken wir den Freiwilligen einen mittlerweile beeindruckenden Bestand an computergestützten Zeichnungen, die sie für Gutachten und für Veröffentlichungen des Amtes erstellen. Hier zeigt sich exemplarisch, dass sie sich im Verlauf des Jahres ein grundlegendes Wissen in der Denkmalkunde angeeignet haben und eine echte Unterstützung bei der tagtäglichen Arbeit sind. Die Freiwilligen werden auch gezielt dort eingesetzt, wo ihre Hilfe aktuell benötigt wird. Beispielsweise für die Datenbank Bodeon, in dem Bild- und Planarchiv oder bei der Aktenverwaltung in der Registratur. Die Erfahrung hat gezeigt, dass sie die Arbeiten zur Archivierung des kulturellen Wissens sehr engagiert und mit hohem Verantwortungsbewusstsein durchführen. Johannes Geelen (FSJ'ler 2017/18) hat in der praxisnahen Archivarbeit seine Leidenschaft und Berufung entdeckt: Er entschied sich für das Studium der Geschichte und arbeitet seitdem als studentische Hilfskraft im Bild- und Planarchiv des LVR-ADR weiter.

Große Anziehungskraft haben die Restaurierungswerkstätten, wo die Freiwilligen Verfahren der Reinigung, Konservierung und Restaurierung kennen lernen und die Restaurator*innen bei Untersuchungen von Bau- und Kunstdenkmälern begleiten. Dem großen Interesse seitens der Freiwilligen werden wir im kommenden Zyklus 2020/21 gerecht, indem wir hier einen weiteren Arbeitsschwerpunkt einrichten mit der Perspektive, künftig (wie auch schon früher) wieder zwei FSJ-Stellen anzubieten.

Die "Baustelle im Außendienst" offenbart sich immer wieder als multithematischer Lernort für Geschichte, Handwerk, Baukultur und Begegnungen. In diesem Sinne begleiten die Freiwilligen regelmäßig die Denkmalpfleger*innen zu Beratungsgesprächen im Rahmen von Sanierungsmaßnahmen. Sie lernen die Zusammenarbeit mit den Denkmalbehörden, Eigentümer*innen, Architekt*innen und Handwerker*innen kennen. Diese direkte Begegnung mit den umfassenden Aufgaben der Denkmalpflege, die Teilnahme an Gesprächen und Erörterungen, sensibilisiert das Verständnis für das gesellschaftliche Anliegen, Denkmäler zu bewahren. Und anders herum: Die Akzeptanz und Zukunft von Denkmalschutz und -pflege kann erheblich davon profitieren, wenn der Gesellschaft bewusst ist, dass die nächste Generation auf die Vergangenheit baut – und wir gemeinsam in die Zukunft gehen.

Sven Thissen hat ein klares Ziel vor Augen: An das Erlebte soll nun ein Studium der Architektur mit den Schwerpunkten Denkmalpflege und historische Bauforschung anknüpfen.

Weitere Informationen:
3.500 Jugendliche haben bisher in den Einsatzstellen einer der bundesweit 15 Jugendbauhütten ein FSJ in der Denkmalpflege absolviert. Die Jugendbauhütten sind ein Projekt der Deutschen Stiftung Denkmalschutz in der Trägerschaft der Internationalen Jugendgemeinschaftsdienste (IJGD). Vorbild der Jugendbauhütten ist das Prinzip der mittelalterlichen Bauhütten, in denen gemeinsam gearbeitet wurde und der Lehrling vom Meister noch am Original lernte.
IJGD Jugendbauhütte NRW-Rheinland: http://fsj.denkmal.rheinland@ijgd.de


Autorin

Foto: Dr. Kristin Dohmen

Dr. Kristin Dohmen

Leiterin Sachgebiet Bauforschung der Abteilung Dokumentation

kristin.dohmen@lvr.de



Digitale Bilder online für Forschung und Lehre – Kooperationsvertrag mit prometheus e.V.

In Zeiten der Digitalisierung gewinnt die Online-Recherche und -Verfügbarkeit von Bildern immer mehr an Bedeutung. Bereits seit fast 20 Jahren stellt die Plattform prometheus – Das verteilte digitale Bildarchiv für Forschung & Lehre (www.prometheus-bildarchiv.de) qualitativ hochwertige, digitalisierte Bilder aus Kunst, Kultur und Geschichte für Forschung und Lehre zur Verfügung. Das Bildarchiv verbindet 107 Instituts-, Forschungs- und Museumsdatenbanken unter einer Oberfläche mit insgesamt 2.693.789 digitalen Bildern (Stand Dezember 2020). Seit kurzem gehört auch das LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland (LVR-ADR) mit einem Bestand von 641 Zeichnungen dazu. Sie stammen aus den 1720-1730 entstandenen Skizzenbüchern von Renier Roidkin, der als Wandermaler zahlreiche Burgen und Stadtansichten im Rheinland, in der Nordeifel und im heutigen Belgien zeichnete. Sie sind historisch besonders wertvoll, denn sie dokumentieren Ortsbilder und Landschaften im 18. Jahrhundert und gehören zu den Sammlungsbeständen im LVR-ADR, die besonders häufig nachgefragt werden. Daher bilden sie auch den Auftakt in prometheus, weitere Bestände sollen folgen. Vermittelt durch die Abteilung Digitales Kulturerbe im LVR-Dezernat Kultur und Landschaftliche Kulturpflege schloss das LVR-ADR einen Kooperationsvertrag mit dem Bildarchiv ab, das seinen Sitz am Kunsthistorischen Institut der Universität zu Köln hat und durch den gemeinnützigen Verein prometheus e.V. zur Förderung von Wissenschaft und Forschung vertreten wird. Das Bildarchiv prometheus basiert auf Lizenzen und wird vor allem von Wissenschaftler*innen und Studierenden genutzt. Die Roidkin-Zeichnungen sind aber im Open-Access-Bereich auch für alle anderen Interessierten recherchierbar und stehen unter der Creative Commons Lizenz CC BY 4.0 unter der Bedingung der Namensnennung von Urheber*in und Rechteinhaber*in für die Nutzung zur Verfügung.


Autorin

Foto: Dr. Ulrike Heckner

Dr. Ulrike Heckner

Abteilungsleiterin Dokumentation

ulrike.heckner@lvr.de



Leichlingen, Windfoche 1 - eine Hofschaft erzählt

Erkunden, Vermessen und Dokumentieren prägen die Vorbereitungen zur Instandsetzung eines Wohnhauses mit Stallung und Scheunen in der typisch bergischen Hofschaft Windfoche, nordöstlich von Leichlingen. Umgeben von Wald- und Wiesenflächen umfasst sie heute noch vier Einzelgehöfte aus locker gruppierten Gebäuden in Fachwerkbauweise. Besonders authentisch hat das Gebäude mit der Hausnummer 1 das Gesicht der ländlichen Bauweise und Siedlungsform bewahrt. Seit 1981 ist das Fachwerkwohnhaus unbewohnt und offenbart mit Stallanbau und Quertennenscheunen eine Fundgrube an historischen Baumaterialien, Ausstattungen, Konstruktionen und Wandmalereien, die vom Leben und Wirtschaften des bäuerlichen Betriebs im 18. und 19. Jahrhundert erzählen. Die wenigen jüngeren Modernisierungen haben seine Authentizität nicht beeinträchtigt, deswegen wird das Gehöft von den neuen Eigentümern gemeinsam mit dem LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland erfasst und bauvorbereitend analysiert. "Alle 140 Jahre wieder" – so resümiert der Bauherr perspektivisch die Sanierungsgeschichte von Windfoche 1: Um 1750 in Fachwerkbauweise errichtet, erfuhr der Baubestand im Jahr 1884 Instandsetzungen und soll jetzt, nach weiteren 140 Jahren, erneut für die Zukunft ertüchtigt und zum Wohnen genutzt werden.

Das Wohnhaus darf aus heutiger Sicht mit einem räumlich gut organisierten Minihaus verglichen werden. Der Hauseingang führt in den Herdküchenraum, der mit nur 8 m2 Größe der Hauptaufenthaltsraum der Familie war. Drei Türen erschließen von dort die gute Stube, die Kammer und den Stall, zwei Treppen führen in das Obergeschoss und in den Gewölbekeller. Von der Haustechnik zeugt die einst raumfüllende Herdstelle an der Wand zur Stube sowie eine verschließbare Wandnische in der gegenüberliegenden Kammer. Öffnet man diese, so blickt man in einen aus Bruchsteinen gemauerten Brunnen, der frisches Grundwasser für den Alltag lieferte. Im Obergeschoss wiederholt sich die Raumstruktur mit Stiege in das Dachgeschoss. Dass hier in Heimarbeit gewebt wurde, ist mündlich überliefert. Spuren an den Sparren zeugen von der Befestigung des Webstuhls.

Klein, aber fein durchdacht, ist das Haus lediglich aus den notwendigen Bauhölzern gezimmert. Die zweckmäßige Ständerbauweise, der Verzicht auf Streben und die dünnen Dimensionen der Holzquerschnitte resultieren aus einem Problem, das allen Bauherren im 18. Jahrhundert begegnete: der Rückgang der Laubwälder, mit dem eine zunehmende Verknappung des Rohstoffes Holz und damit eine Verteuerung des Bauholzes einherging. Die Gefache, überwiegend noch mit Staken und Weidengeflecht geschlossen, sind mit Lehmbewurf verdichtet und tragen Kalkschlämmen, deren letzte Fassung einen lebhaften Eindruck von der Sanierung 1884 geben: Das Fachwerkwohnhaus präsentierte sich in leuchtendem Ultramarinblau, einer äußerst begehrten Farbe, die seit 1834 in den bergischen Ultramarinfabriken von Carl Leverkus synthetisch hergestellt wurde. Mit dem blauen Erscheinungsbild des Äußeren ging auch die Neuausstattung des Wohnhauses einher: Neue Rahmenfüllungstüren mit fein profilierten Zargen und eine Treppe mit gezierten Stab- und Antrittsbalustern hielten Einzug in das Wohnhaus Windfoche 1. Dazu wurden die Wände farblich neu gefasst: In den oberen Zimmern zeugen farbenprächtige Blumen- und Astwerkmotive von dem Einsatz der im 19. Jahrhundert aufkommenden Strukturwalzen. Die Rollen mit aufgeprägten Gestaltungsmustern wurden in die Farbe getaucht, leicht abgestrichen und dann auf der gekälkten Wand abgerollt, sodass leicht variierende, sehr lebhafte Muster entstanden sind. Dabei stand das Motiv der Natur im Vordergrund: das den Waldhängen zugewandte Zimmer zeigt in den Farben Rotbraun und Grün wechselndes Astwerk mit fünfblättrigen Blumen und Knospen auf hellem Grund. Stets variierende florale Motive in leuchtenden Farben prägen die weiteren Kammern und entfalten ihre ganz eigenständige Raumwirkung.

Die Modernisierung von 1884 spricht für gewissen Wohlstand, der zugleich die Erweiterung der Wirtschaftsgebäude möglich machte. Die Quertennenscheune aus der Erbauungszeit wurde in Firstrichtung um eine fast getreue Kopie erweitert. Beide Quertennen besitzen die bautypisch dreiteilige Binnengliederung und werden über die mittig gelegenen Einfahrten vom Feld aus beliefert. Traufhohe Tennenleitern an den Bundwänden erschließen den oberen Scheunenboden, wo das Erntegut einst gelagert und gedroschen wurde.

Gegenüber dieser Doppelscheune erschließt eine Klöntür hofseits den 1884 erbauten Fachwerkstall, der mit vielen Baudetails erneut Einblick in den bäuerlichen Betrieb gewährt. Neben dem kleinen Stall für Kleinvieh zeugt eine Abmauerung mit winzigem Fenster und Erdgrube von der Toilette des Bauernhofes. Daneben liegen der Kuh- und Pferdestall mit einer besonderen baulichen Einrichtung: Eine Bohlenbretterwand separiert die Stallungen für das Großvieh in Längsrichtung des Baus. Sie integriert Futtertröge aus Sandstein. Auf der scheunenzugewandten Seite besitzt die sorgfältig verzimmerte Bohlenwand Klappläden zur Füllung der Tröge mit Heu. Dass dieser Bauteil ein zweiflügeliges Sprossenfenster mit seitlicher Klöntür besitzt, wirft Fragen über die Wohn- und Wirtschaftsfunktionen auf. War hier die Wohnkammer des Stallknechtes angesiedelt? Dieses und noch weitere Rätsel versuchen Bauherrenschaft und Denkmalpflege vor der Instandsetzung zu lösen. Auch wenn dies nicht immer gelingt, ist gewiss: Das Gehöft Windfoche 1 hat Eigentümer gefunden, die genau hinschauen und die vom Bauwerk selbst erzählte Geschichte in eine Zukunft führen.


Autorin

Foto: Dr. Kristin Dohmen

Dr. Kristin Dohmen

Leiterin Sachgebiet Bauforschung der Abteilung Dokumentation

kristin.dohmen@lvr.de