Bestandteil der Ausstellung: das "Aennchen-Center" in Bad Godesberg (Foto: LVR-ADR)
Extravagante Sitzmöbel in poppigen Farben ziehen vorübergehend ins Foyer des Bonner Stadthauses ein. Exponat und Sitzgelegenheit in einem, laden Schalensitz, Freischwinger und Co. dazu ein, sich – bequem sitzend - dem Thema der Ausstellung "wohnen 60 70 80" anzunähern. Welche Wohnkonzepte prägten die 1960er, 1970er und 1980er Jahre im damals noch geteilten Deutschland? Und welche daraus hervorgegangenen Objekte sind – mit dem gebotenen zeitlichen Abstand betrachtet – so bedeutend, dass sie als Zeugnisse ihrer Zeit erhaltenswert sind?
Dieser Frage stellt sich die Zunft der Denkmalpflege im Wettlauf mit der Zeit. Im Gegenwind des Zeitgeschmacks und angesichts wirtschaftlichen und politischen Veränderungsdrucks ist es keine leichte Aufgabe, ostdeutsche Plattenbauten, verpönte "Betonbunker", Wohnsiedlungen mit einer Vielzahl an Eigentümer*innen oder postmoderne Gebäude in ihrer spezifischen Formensprache als Denkmäler auszuweisen. Doch genau das ist die Aufgabe der Denkmalpflege: den persönlichen Geschmack unbeachtet lassend nach zeittypischen, prägenden Merkmalen Ausschau zu halten und erhaltenswerte Bauwerke – ggf. mitsamt ihrer Ausstattung - zu benennen und ihre Bedeutung zu vermitteln.
Die Spreu vom Weizen zu trennen ist in Anbetracht des riesigen Wohngebäude-Bestandes der 1960er bis 1980er Jahre eine Mammutaufgabe. Ihr hat sich die Vereinigung der Denkmalfachämter in den Ländern (VDL) bundesweit gestellt. Die Ausstellung "wohnen 60 70 80. Junge Denkmäler in Deutschland" gibt publikumsnah Einblicke in die Forschungsergebnisse. Neben Lese- und Anschauungsmaterial auf Stellwänden bietet eine Zeitung – stilgerecht aus Papier – informativen Lesestoff.
Die Ausstellung, präsentiert vom LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland (LVR-ADR) in Kooperation mit der Unteren Denkmalbehörde der Stadt Bonn, trägt dem Standort Rechnung, an dem sie gezeigt wird: 26 Objekte aus Bonn, errichtet in den 1960er, -70er und -80er Jahren, werden präsentiert und erläutert. Darunter sind Siedlungen im Zickzackstil, selbstbewusste Beispiele der Postmoderne, Terrassenbauten mit Naturbezug und der gläserne Kanzlerbungalow – gebautes Understatement. Einzelne Bonner Objekte sind als Baudenkmäler geschützt, andere, noch nicht näher geprüft, haben als zeittypische Bauwerke das forscherische Interesse geweckt.
Wir laden Sie ein, im Rahmen der Öffnungszeiten des Stadthauses die Ausstellung zu betrachten und zu "besitzen".
Ausstellungseröffnung: Dienstag, 5. September 2023, 16 Uhr
Dauer der Ausstellung: bis 22.09.2023
Mo.-Do. 8-18 Uhr, Fr. 8-13 Uhr
Stadthaus Bonn, Berliner Platz 2, 53111 Bonn
Blick in die Ausstellung "wohnen 60 70 80" mit zeittypischen Sitzgelegenheiten (Foto: Birgit Parakenings, LVR-ADR)
Als Special zu den bundesweiten Wohn-Denkmälern, die in der Wanderausstellung gezeigt werden, hat das LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland einen Sonderteil zu Bonn erarbeitet. Hier präsentieren wir Ihnen Forschungs- und Inventarisationsergebnisse zu jüngeren Wohngebäuden in Bonn, die schon Denkmäler sind oder für die eine Prüfung anstehen könnte – vom Apartmenthaus bis zur großen Siedlung.
Dr. Martin Bredenbeck, Kurator des Bonn-Teils der Ausstellung, führt Sie am 20. September durch "wohnen 60 70 80". Erkunden Sie mit ihm vergangene Wohnwelten, werfen einen Blick auf die Verhältnisse in Bonn und kommen Sie über die Denkmalbedeutungen ins Gespräch.
Die Teilnahme ist kostenlos. Eine Anmeldung an martin.bredenbeck@lvr.de wird erbeten.
Die Leiterin der Abteilung Inventarisation des LVR-Amtes für Denkmalpflege im Rheinland führt in die Ausstellung ein.
Der wissenschaftliche Referent der Abteilung Inventarisation des LVR-Amtes für Denkmalpflege im Rheinland, Dr. Martin Bredenbeck, erläutert die Arbeit der Inventarisation und geht auf den Bonn-spezifischen Teil der Ausstellung ein.
wohnen 60 70 80 - Junge Denkmäler in Deutschland
wohnen 60 70 80 - Junge Denkmäler in Deutschland
hrsg. von der Vereinigung der Denkmalfachämter in den Ländern (VDL)
Deutscher Kunstverlag, Berlin 2020
224 Seiten
39,90 Euro
ISBN 9783422981546
Ein Ansichtsexemplar befindet sich in der Ausstellung.